Entspannung bei Zinsen und Konjunktur

22.12.2022 - Es spricht einiges dafür, dass sich 2023 die Lage an den Finanzmärkten wieder entspannen könnte.

Frau liegt entspannt auf einem Sessel und hört über ihren Kopfhörer Musik

Der Höhepunkt der Energiekrise scheint hinter uns zu liegen. Die Gasspeicher sind gefüllt und staatliche Programme helfen, die Folgen steigender Energiepreise für Unternehmen und Privathaushalte abzufedern. Zwar dürften mit Blick auf das Jahr 2023 die Energiepreise nicht noch einmal so stark steigen wie im Vorjahr, doch die immer noch hohen Kosten für Strom und Gas sowie die hohen Zinsen dämpfen zunächst noch die Wirtschaft. Daher rechnet Commerzbank-Chefvolkswirt Dr. Jörg Krämer erst einmal für Deutschland und Europa, aber auch für die USA mit einer leichten Rezession. Mit einer Abkühlung der Wirtschaft dürfte die Kerninflation, die die Preise für Energie und Nahrungsmittel außen vor lässt, nicht automatisch sinken. Denn Unternehmen werden aufgrund gestiegener Kosten voraussichtlich versuchen, weiter an der Preisschraube zu drehen, um zu überleben.

Weniger stark steigende Energiekosten könnten ein Ende des Zinszyklus unterstützen

Im Frühjahr 2023 dürften sich allerdings ein stabilisierender Energiemarkt bemerkbar machen und für fallende Gesamtinflationsraten sorgen. Dies wäre für die Europäische Zentralbank (EZB) und die US-Notenbank Fed ein wichtiges Signal, ihre schrittweisen Zinserhöhungen zu beenden. Martin Hartmann (Senior Experte Renten & Währungen bei der Commerzbank) erwartet, dass die Leitzinsen bereits im ersten Quartal 2023 in den USA bei 5,0 Prozent und im Euroraum bei 3,0 Prozent (Einlagensatz) ihren Höhepunkt erreicht haben dürften. Und wichtig für Anleihen-Investitionen: „Aufgrund der anhaltend hohen Inflation sind den Notenbanken für deutliche Zinssenkungen in diesem Zyklus zunächst die Hände gebunden. Ein Rendite-Rückgang dürfte daher nicht sehr ausgeprägt ausfallen“, so Hartmann.

Entspannungssignale auch bei der Konjunktur

Gemäß Commerzbank-Prognose wird die Wirtschaft im neuen Jahr infolge der Inflation und hoher Zinsen noch mit einer Rezession zu kämpfen haben. Dies sollte sich etwa auf zinsempfindliche Investitionen von Unternehmen wie etwa Maschinenanschaffungen oder Bauinvestitionen auswirken. Aus diesem Grund sind beispielsweise bereits jetzt sinkende Aufträge für die Bauwirtschaft spürbar.

Nach einer Phase der Rezession im ersten Halbjahr sieht Dr. Jörg Krämer jedoch zunehmend Zeichen der Entspannung in den USA und dem Euroraum. Dafür spreche zum einen, dass sich ein stabilisierender Energiemarkt auch positiv auf die Konjunktur auswirkt. Außerdem sieht der Chefvolkswirt mehr und mehr den Höhepunkt der Lieferkettenprobleme überschritten, was die Produktion stabilisieren dürfte. Insofern rechnet Dr. Krämer spätestens ab der zweiten Jahreshälfte mit einer Erholung der Wirtschaft. Diese dürfte allerdings moderat ausfallen, da mit Rückenwind von den Zentralbanken in Form von Zinssenkungen nicht zu rechnen sei. Unterm Strich erwartet der Chefvolkswirt, dass das reale Bruttoinlandsprodukt in Deutschland im kommenden Jahr um 0,5 Prozent schrumpft. Für den Euroraum und die USA prognostiziert er jeweils eine Stagnation beim realen Bruttoinlandsprodukt.

Mit Blick auf China wird die Wirtschaft dort während des ersten Halbjahres wahrscheinlich noch durch die rigide Null-Corona-Politik belastet, auch wenn Peking allmählich davon abrückt. Was sich allerdings auch entlastend für die hiesigen Energiepreise auswirken könnte, denn wo weniger produziert wird, werden weniger Kraftstoffe verbraucht. Sollten in China vonseiten der Staatsführung Lockerungen der Beschränkungen eintreten, ist dort ebenfalls mit einer Erholung der Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte zu rechnen.

Ein befürchteter Kollaps der Weltwirtschaft ist angesichts der geschilderten Entwicklungen und Erwartungen unwahrscheinlicher geworden. Damit hat das Research-Team der Commerzbank auch seine negativeren Prognosen aus dem September 2022 nach oben korrigiert.

Aussichten für Anleihen, Aktien und alternative Anlagen

Wie wirken sich ein immerhin schwaches Wachstum und eine tendenziell höhere Inflation für die Kapitalanlage im Jahr 2023 aus? Es gibt wieder Zinsen zu verdienen und damit gibt es auch mehr Wettbewerb für Aktien und alternative Anlagen wie Immobilien, Infrastruktur und Private Equity. Bis zum voraussichtlichen Ende des Zinszyklus, das im Frühjahr 2023 erwartet wird, dürften sich eher kurzlaufende Staats- und Unternehmensanleihen anbieten. Aber mit Erreichen der Renditehöchststände kann auch wieder in mittlere und vor allem längere Laufzeiten investiert werden. Die große Frage ist allerdings, ob die Renditen oberhalb der Inflation liegen – bei klassischen Sparvarianten dürfte dies jedenfalls noch nicht der Fall sein.

Aktien haben in der Vergangenheit die Inflation mehr als ausgeglichen. Allerdings ist in der ersten Jahreshälfte aufgrund der erwarteten Rezession von keinem starken Aufwärtstrend auszugehen – zumal die EZB und die US-Notenbank ihre Leitzinsen noch weiter anheben. Zunächst sind vor allem Nachrichten über enttäuschende Unternehmensgewinne wahrscheinlich, die infolge steigender Zinsen, hoher Kosten und Rezessions-Sorgen entstehen.

Bis zum erwarteten Ende der Leitzinserhöhungen im Frühjahr 2023 rechnet Andreas Hürkamp (Senior Experte Aktien bei der Commerzbank) im Aktienbereich mit einer nervösen Marktphase, die durch Wertschwankungen gekennzeichnet ist. Für Anlegerinnen und Anleger ergeben sich daraus auch Chancen, denn Rezessionen waren in der Vergangenheit wegen der niedrigen Bewertung von Aktien häufig gute Einstiegszeitpunkte.

Wie die Entwicklung des US-Aktienindex S&P 500 seit 1928 zeigt, haben sich Aktienkurse auf Dauer immer nach oben bewegt

Eine breite Aufstellung der Vermögensanlage bleibt auch in Zukunft wichtig. Alternative Anlagen können hierbei als Beimischung in sogenannten Multi-Asset-Portfolios eine stabilisierende Rolle spielen und zum Teil auch zusätzlichen Inflationsschutz bieten. Dabei spielen auch wichtige Trends eine Rolle, wie der Ausbau einer Infrastruktur für erneuerbare Energien.

Die Chancen mit einem Multi-Asset-Sparplan nutzen

Anlegerinnen und Anlegern bietet das kommende Jahr insgesamt gute Chancen für die Kapitalanlage. Die anfangs niedrigen Aktienkurse können zum Ausbau dieser Anlageklasse genutzt werden. Wenn mit einem Ende der Leitzinserhöhungen ein Zinsplateau erreicht wird, bieten auch Anleihen wieder mittel- und langfristig gute Renditeaussichten. Ein Sparplan für sogenannte Multi-Asset-Portfolios kann die Vorteile unterschiedlicher Anlageklassen kombinieren und mehr zum Vermögensaufbau beitragen als traditionelle Sparmethoden.

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