Steigende Zinsen

EZB-Zinserhöhung: was die Entscheidung für Ihr Geld bedeutet

24.01.2023 – Die Zinsen steigen weiter. Erfahren Sie, welche Folgen die aktuelle Zinserhöhung der Notenbank für Verbraucher und Sparer hat und wie die Zinsprognose aussieht.

Blick auf den Eingang der EZB in Frankfurt mit vier Europa-Fahnen davor

Zinserhöhung als Antwort auf die Rekordinflation

Die Inflation in Deutschland ist im Dezember auf 8,6 Prozent gefallen, aber nur deshalb, weil der Staat für viele Bürger Abschlagszahlungen für Gas übernommen hat. Von Entwarnung kann also keine Rede sein. Zum Jahresbeginn wird bei der Inflation wieder eine 9 vor dem Komma stehen.

Hohe Preise sind länderübergreifend in fast allen Wirtschaftssparten zu spüren. Zwar dürften in den kommenden Monaten die Preise für Energie nicht noch einmal so stark steigen wie im vergangenen Jahr. Aber in vielen anderen Sparten wird der Inflationsdruck hoch bleiben. Viele Unternehmen sind immer noch dabei, ihre höheren Produktionskosten an die Verbraucher weiterzugeben. Gleichzeitig mehren sich die Anzeichen für eine deutliche Verstärkung des Lohnauftriebs. Es ist daher davon auszugehen, dass die Preise in nächster Zeit weiterhin stark steigen werden.

Um diese hohe Inflation zu drücken, haben Zentralbanken letztes Jahr rund um die Welt ihre Anleihekaufprogramme beendet und die Zinsen erhöht. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat im Juli 2022 zum ersten Mal seit 2011 den Leitzins für den Euroraum angehoben – um 0,5 Prozentpunkte, gefolgt von zwei Zinserhöhungen um jeweils 0,75 Prozentpunkte. Am 15. Dezember 2022 erfolgte die aktuelle Zinserhöhung um weitere 0,5 Prozentpunkte für alle drei Leitzinssätze. Es war die vierte Erhöhung der EZB im vergangenen Jahr. Der Refinanzierungssatz für den Euroraum liegt nun bei 2,5 Prozent. Experten prognostizieren auch in den nächsten Monaten einen weiteren Anstieg der Zinsen. Im Frühjahr 2023 dürfte der Refinanzierungssatz ein Zwischenhoch von 3,75 Prozent erreichen.

Kurz erklärt: die EZB und die Leitzinsen

Die Europäische Zentralbank ist in der Eurozone die oberste Notenbank. Sie ist für ein stabiles Finanzsystem zuständig und legt in diesem Zuge auch den Leitzins fest. Er ist der wichtigste Zins und das wirkungsvollste Instrument der Notenbanken, um den Geldwert stabil zu halten.

Der Leitzins bestimmt die Zinssätze, zu denen sich Geschäftsbanken wie die Commerzbank bei der EZB Geld beschaffen oder anlegen können. Ziel der Europäischen Zentralbank ist es, dass die Verbraucherpreise jährlich um zwei Prozent steigen. Die Zinsen werden diesem Ziel entsprechend fortlaufend angepasst.

Es gibt insgesamt nicht nur einen, sondern drei Arten von Leitzinsen, die von der Europäischen Zentralbank festgelegt werden. Der zum jeweiligen Zeitpunkt wichtigste wird gemeinhin als „Leitzins“ bezeichnet.

Der Einlagenzins:

Der für die Marktrenditen und Zinsniveaus ausschlaggebende Zins ist derzeit der Einlagensatz. Deshalb wird er aktuell als „Leitzins“ bezeichnet. Er fällt an, wenn Geschäftsbanken überschüssiges Geld über Nacht bei der Zentralbank parken. Ist er positiv, verdienen Banken, die überschüssige Liquidität bei der EZB halten, Geld. Seit 2014 war der Einlagenzins aber negativ und seit 2019 betrug er minus 0,5 Prozent. Viele Kreditinstitute haben somit Verluste durch den Einlagenzins verzeichnet und haben für Kunden ab einem bestimmten Sparguthaben Verwahrentgelte eingeführt. Nun hat die Trendwende eingesetzt: Mit der vierten EZB-Zinserhöhung vom 15. Dezember 2022 liegt der Einlagensatz bei mittlerweile 2,00 Prozent.

Der Hauptrefinanzierungssatz:

Er legt fest, zu welchem Zinssatz sich Banken über einen etwas längeren Zeitraum als bei der Spitzenrefinanzierungsfazilität Geld von der Notenbank leihen können. Zwischen März 2016 und Juli 2022 lag der Hauptrefinanzierungssatz bei null Prozent. Am 21. Juli 2022 wurde er um 50 Basispunkte bzw. 0,5 Prozentpunkte von der Europäischen Zentralbank erhöht. Am 8. September folgte eine weitere Anhebung um 0,75 Prozent auf insgesamt 1,25 Prozent. Derzeit gibt es eine hohe Überschussliquidität auf dem Markt, sodass sich die Banken wenig Geld von der EZB über das Hauptrefinanzierungsgeschäft besorgen – daher wird dieser Finanzierungssatz in nächster Zeit keinen großen Einfluss auf die Kreditraten haben.

Der Spitzenrefinanzierungssatz:

Er legt die Kosten fest, zu denen sich Banken auf eigene Initiative über Nacht Geld bei der EZB leihen können. Der Zinssatz der Spitzenrefinanzierungsfazilität ist normalerweise höher als derjenige des Hauptrefinanzierungsgeschäfts. Der Spitzenrefinanzierungssatz liegt nach der vierten Zinserhöhung der EZB am 15. Dezember bei 2,75 Prozent.

Wichtige Fragen und Antworten zu den Leitzinsen

Welche Folgen hat eine straffere EZB-Geldpolitik für Banken?

Auch Banken müssen ihr Geschäft infolge der strafferen Geldpolitik der Europäischen Zentralbank anpassen. Im Zuge der Erhöhung der Leitzinsen haben erste Kreditinstitute zum Beispiel die Verwahrentgelte auf Giro- und Tagesgeldkonten wieder abgeschafft. Andere Banken prüfen derzeit diesen Schritt.

Die Verwahrentgelte wurden für hohe Kontoguthaben ab einer bestimmten Einlagengröße, zum Beispiel 25.000 oder 50.000 Euro, eingeführt. Sparer, die diese Freigrenze überschritten, mussten für ihr darüber liegendes Guthaben Negativzinsen zahlen. Über diese sogenannten Strafzinsen versuchten viele Banken in der Vergangenheit, dem negativen Einlagenzins entgegenzuwirken. Allerdings schaffen einige Banken nun im Zuge der Leitzinserhöhung das Verwahrentgelt ab. Somit zahlen Verbraucher keine Negativzinsen mehr auf ihr Erspartes.

Welche Folgen haben die höheren Zinsen für Sparer und Kreditnehmer?

Das erneute Anheben des EZB-Leitzinses hat für Konsumenten, Sparer und Immobilieninteressierte sowie Hausbesitzer signifikante Auswirkungen.

Positive Entwicklung für Sparer

Durch den steigenden Leitzins im Euroraum haben Sparer bei weiter steigenden Sparzinsen wieder die Chance, ihr Erspartes auf dem Sparkonto verzinsen zu lassen.

Herausforderung für Kreditnehmer

Für jene, die einen Kredit aufgenommen haben oder aufnehmen möchten, bedeuten die Zinserhöhungen der EZB jedoch vor allem eines: höhere Kreditkosten. Bisher konnten Kreditnehmer durch einen niedrigen Bauzins Eigentum erwerben und Konsumausgaben finanzieren. Zwar werden bereits aufgenommene Kredite zu dem vereinbarten Zinssatz, der zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses galt, weitergeführt. Allerdings werden Anschlussfinanzierungen durch höhere Zinsen deutlich teurer und damit für manch einen zur Gefahr. Kreditnehmer, deren Zinsbindung bald endet und die bereits in einem finanziell engen Rahmen agieren, könnten durch steigende Kredit- und Rückzahlungsraten in finanzielle Schieflage geraten.

Finanzierung des Eigenheims in Zeiten höherer Zinsen

Vor allem Immobilienbesitzer und Menschen, die ein Haus oder eine Wohnung erwerben möchten, treffen die höheren Kreditkosten schmerzlich. Nicht erst mit der Erhöhung der Leitzinsen durch die Notenbank kennt die Bauzinsentwicklung nur eine Richtung: steil nach oben. Da der Kauf einer Immobilie oft über Jahrzehnte finanziert wird, haben auch minimale Anpassungen am Zinssatz bei Baufinanzierungen erhebliche Auswirkungen auf Ratenhöhe oder Darlehenslaufzeit. Es ist daher ratsam, sich schnell um eine Neu- oder Anschlussfinanzierung zu kümmern, um sich den aktuellen Zinssatz zu sichern.

Auch bei Ratenkrediten für Auto und Co. steigen die Zinsen

Verbraucher, die zum Beispiel einen Ratenkredit für ein Auto, einen Urlaub oder eine andere Anschaffung abbezahlen, sind ebenfalls von der Zinswende betroffen. Künftig wird es teurer, längerfristige Vorhaben zu finanzieren. Im Gegensatz zu den Bauzinsen steigen die Zinsen für Ratenkredite aktuell jedoch nur langsam an – eine weitere Dynamik nach oben ist allerdings jederzeit möglich. Kreditinteressierte sollten auch hierbei zügig handeln, wenn sie eine Finanzierung planen.

Anlegertipps

Stellen Sie die Strategie für Ihre Geldanlage auf den Prüfstand

Die Zinsen im Immobilienbereich steigen weiter kräftig an. Gleichzeitig steigen auch die Zinsen für Sparguthaben langsam. Als Verbraucher sollten Sie Ihre aktuelle Anlagestrategie überprüfen, um auf die aktuellen Veränderungen bestmöglich reagieren zu können. Ein guter Tipp: Verteilen Sie Ihre Geldanlage auf verschiedene Anlageformen. Zu empfehlen sind:
1

Investieren Sie in ETF-Sparpläne

ETF-Sparpläne bieten niedrige Zinsen und ein attraktives Chance-Risiko-Verhältnis. Auch in stark volatilen Märkten bieten sie eine vielversprechende Möglichkeit, Geld anzulegen.

2

Risiko durch Edelmetalle streuen

In Zeiten großer Veränderungen lohnt es sich, Risiko breit zu streuen. Auch Geldanlagen in Edelmetalle wie Gold können zum Beispiel in Betracht gezogen werden.

3

Avisieren Sie einen Immobilienkauf

Wer genug Eigenkapital besitzt, sollte einen Immobilienerwerb ins Auge fassen. Reicht das Ersparte nicht aus, sollten Sie frühzeitig beginnen, Geld für einen späteren Kauf anzusparen. Banksparpläne und Bausparverträge gelten als sichere Anlageformen.

Ausblick: Wie sieht die aktuelle Zinsprognose aus?

Die Zinssätze hängen eng mit der Inflation und den Inflationserwartungen zusammen. Die Inflationsrate im Euroraum betrug im Dezember 2022 9,2 Prozent. Experten prognostizieren auch für die kommenden Monate ähnlich hohe Inflationsraten.

Die Notenbanker argumentieren, dass es wegen der Rekordinflation zentral sei, das Vertrauen der Bevölkerung in die EZB zurückzugewinnen und die Inflationserwartungen zu verankern. Dies sei in den letzten Monaten nicht mehr der Fall gewesen, wie beispielsweise eine von der EZB veröffentlichte Umfrage unter Verbrauchern im Euroraum zeigt. Um die Inflation ausbremsen zu können, hat die EZB 2022 die höchsten Leitzinserhöhungen seit der Einführung des Euros beschlossen.

Einschätzung des Commerzbank Chefvolkswirt Dr. Jörg Krämer

Die EZB hat im Jahr 2022 eine Kehrtwende vollzogen. Lange Zeit hatte sie ihre Zinspolitik vor allem an den Ergebnissen modellgestützter Inflationsprognosen ausgerichtet. Lagen diese Prognosen beispielsweise Ende 2021 nur 0,2 Prozentpunkte unter dem EZB-Inflationsziel von zwei Prozent, so reichte ihr das, um weiter negative Leitzinsen in Aussicht zu stellen, obwohl die Inflation zu diesem Zeitpunkt schon massiv gestiegen war. Mit dieser zweifelhaften Praxis will sie Schluss machen. Stattdessen will sie bei ihren Zinsentscheidungen in Zukunft mehr Gewicht legen auf die tatsächlichen Inflationsdaten und auf die Inflationserwartungen der Bürger, die auch schon deutlich gestiegen sind. Mit Blick auf die zukünftige Zinspolitik zeigt sich die EZB nun deutlich entschlossener als in den vorangegangenen Monaten. Weitere signifikante Zinserhöhungen sind daher in den kommenden Sitzungen zu erwarten. Für das Frühjahr rechnen wir mit einem Einlagensatz von 3,25 Prozent.

Die EZB hat die Leitzinsen im Dezember 2022 erneut erhöht. Mit Blick auf die zukünftige Zinspolitik zeigt sich die EZB deutlich entschlossener als in den vorangegangenen Monaten. Weitere signifikante Zinserhöhungen sind daher für dieses Jahr zu erwarten.

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