Steigende Zinsen, EZB-Zinserhöhung: was die Entscheidung für Ihr Geld bedeutet
30.05.2023 – Die Zinsen steigen weiter. Erfahren Sie, welche Folgen die aktuelle Zinserhöhung der Notenbank für Verbraucher und Sparer hat und wie die Zinsprognose aussieht.
Zinserhöhung als Antwort auf die Rekordinflation
Zwar ist die Inflationsrate in Deutschland auch im April 2023 wieder leicht rückgängig. Mit 7,2 Prozent bleibt sie aber weiterhin hoch – und schwächt die Kaufkraft des Euros.
Hohe Preise sind länderübergreifend nach wie vor in fast allen Wirtschaftssparten zu spüren. Zwar ist davon auszugehen, dass die Preise für Energie in den kommenden Monaten nicht noch einmal so stark steigen wie im vergangenen Jahr. Aber in vielen anderen Sparten wird der Inflationsdruck hoch bleiben. Unternehmen geben ihre höheren Produktionskosten nach wie vor an die Verbraucher weiter. Gleichzeitig mehren sich die Anzeichen für eine deutliche Verstärkung des Lohnauftriebs. Es ist daher davon auszugehen, dass die Preise in nächster Zeit weiterhin steigen werden.
Um die hohe Inflation zu drücken, haben Zentralbanken rund um die Welt im letzten Jahr ihre Anleihekaufprogramme beendet und die Zinsen erhöht. Nach einer langen Nullzinsphase hat die Europäische Zentralbank (EZB) im Juli 2022 zum ersten Mal seit 2011 den Leitzins für den Euroraum angehoben. Seitdem gab es insgesamt sieben Erhöhungen. Mit der siebten Erhöhung des Leitzinses durch die EZB um weitere 0,25 Prozentpunkte gilt für den Euroraum seit dem 10. Mai 2023 ein von der EZB festgelegter Zinssatz für das Hauptrefinanzierungsgeschäft in Höhe von 3,75 Prozent. Zwar steigt der Zinssatz nun langsamer als zuvor. Experten prognostizieren aber auch in den nächsten Monaten einen weiteren Anstieg der Zinsen.
Kurz erklärt: die EZB und die Leitzinsen
Die Europäische Zentralbank ist in der Eurozone die oberste Notenbank. Sie ist für ein stabiles Finanzsystem zuständig und legt in diesem Zuge auch den Leitzins fest. Er ist der wichtigste Zins und das wirkungsvollste Instrument der Notenbanken, um den Geldwert stabil zu halten.
Der Leitzins bestimmt die Zinssätze, zu denen sich Geschäftsbanken wie die Commerzbank bei der EZB Geld beschaffen oder anlegen können. Ziel der Europäischen Zentralbank ist es, dass die Verbraucherpreise jährlich um zwei Prozent steigen. Die Zinsen werden diesem Ziel entsprechend fortlaufend angepasst.
Es gibt insgesamt nicht nur einen, sondern drei Arten von Leitzinsen, die von der Europäischen Zentralbank festgelegt werden.
Der Einlagenzins:
Der für die Marktrenditen und Zinsniveaus ausschlaggebende Zins ist derzeit der Einlagensatz. Er fällt an, wenn Geschäftsbanken überschüssiges Geld über Nacht bei der Zentralbank parken. Ist er positiv, verdienen die Banken, die überschüssige Liquidität bei der EZB halten, Geld. Seit 2014 war der Einlagenzins aber negativ, seit 2019 betrug er minus 0,5 Prozent. Viele Kreditinstitute haben somit Verluste durch den Einlagenzins verzeichnet. In der Folge haben sie für Kunden ab einem bestimmten Sparguthaben Verwahrentgelte eingeführt. Nun hat die Trendwende eingesetzt: Mit der siebten EZB-Zinserhöhung vom 10. Mai 2023 liegt der Einlagensatz bei mittlerweile 3,25 Prozent.
Der Hauptrefinanzierungssatz:
Der Hauptrefinanzierungssatz legt fest, zu welchem Leitzinssatz sich Banken für gewöhnlich Geld von der Notenbank leihen können. Zwischen März 2016 und Juli 2022 lag der Hauptrefinanzierungssatz bei null Prozent. Am 21. Juli 2022 hat die Europäische Zentralbank den Finanzierungssatz zum ersten Mal seit mehreren Jahren erhöht. Seit dem 10. Mai 2023 liegt der Hauptrefinanzierungssatz bei 3,75 Prozent. Derzeit gibt es eine hohe Überschussliquidität auf dem Markt, sodass sich die Banken nur wenig Geld über das Hauptrefinanzierungsgeschäft von der EZB besorgen. Daher wird dieser Finanzierungssatz in nächster Zeit keinen großen Einfluss auf die Kreditraten haben.
Der Spitzenrefinanzierungssatz:
Dieser Finanzierungssatz legt die Kosten fest, zu denen sich Banken auf eigene Initiative über Nacht Geld bei der EZB leihen können. Der Zinssatz der Spitzenrefinanzierungsfazilität ist normalerweise höher als derjenige des Hauptrefinanzierungsgeschäfts. Der Spitzenrefinanzierungssatz liegt nach der siebten Zinserhöhung der EZB am 10. Mai bei 4,00 Prozent.
Wichtige Fragen und Antworten zu den Leitzinsen
Das oberste Gremium der Europäischen Zentralbank, der EZB-Rat, ist für die Höhe der Leitzinsen verantwortlich. Er besteht aus 26 Mitgliedern: die sechs Mitglieder des Direktoriums, zu dem auch die Präsidentin der EZB gehört, sowie die Präsidenten der nationalen Zentralbanken der mittlerweile 20 Mitgliedstaaten des Euroraums – seit dem 1. Januar 2023 zählt auch Kroatien zu den Euro-Ländern. Etwa alle sechs Wochen werden auf Basis einer kontinuierlichen Analyse der gesamtwirtschaftlichen Situation die Leitzinsen vom EZB-Rat festgelegt und im Rahmen einer Pressekonferenz verkündet.
Je höher die Zinsen, desto mehr lohnt es sich für Banken, Geld bei der Europäischen Zentralbank anzulegen. Deshalb verlangen Banken für alternative Verwendungen des Geldes, wie zum Beispiel die Vergabe eines Kredits, tendenziell ebenfalls höhere Zinsen. So können Banken die Rentabilität des bei ihnen liegenden Geldes sichern.
Ein niedrigerer Leitzins schiebt die gesamtgesellschaftliche Nachfrage an, da Kredite an Verbraucher günstiger finanziert werden können. Ein höherer Leitzins hingegen schwächt die Konjunktur eher ab und ermutigt zum Sparen. Es ist weniger Geld im Umlauf, die Nachfrage geht zurück oder nimmt weniger zu, womit tendenziell die Preise langsamer steigen. Das ist der Effekt, den Zentralbanken erzielen wollen.
Niedrige Zinsen animieren dazu, mehr Geld auszugeben. Steigt der Konsum, erhöht das die Nachfrage. In der Folge steigen die Preise. Diese Entwicklung kann zu einer Inflation führen. Um dem entgegenzuwirken, erhöht die EZB den Leitzins. Durch diese Maßnahme steigen die Sparzinsen und Anleger erhalten wieder Zinsen für ihr Erspartes. Gleichzeitig erhöhen sich die Kosten für ein Darlehen. Da durch die Leitzinserhöhung auch die Zinsen für Kredite steigen, verteuern sich beispielsweise Baufinanzierungen oder Ratenkredite.
Wirtschaftliche Unsicherheiten aufgrund der Pandemie, die zuletzt drastisch gestiegenen Rohstoffpreise und der Krieg in der Ukraine – all diese Faktoren haben massiven Einfluss auf die Inflation. Nun kann keine Notenbank die Weltmarktpreise für Öl oder Getreide senken oder den Krieg in der Ukraine beenden. Aber die Geldpolitik kann dafür sorgen, dass sich dieser anfängliche, von außen getriebene Preisanstieg mittelfristig nicht verfestigt. Entsprechend müssen sich Verbraucher auf höhere Zinsen sowie zunächst auf weiter steigende Preise einstellen.
Welche Folgen hat eine straffere EZB-Geldpolitik für Banken?
Auch Banken müssen ihr Geschäft infolge der strafferen Geldpolitik der Europäischen Zentralbank anpassen. Im Zuge der Erhöhung der Leitzinsen haben erste Kreditinstitute zum Beispiel die Verwahrentgelte auf Giro- und Tagesgeldkonten wieder abgeschafft. Andere Banken prüfen derzeit diesen Schritt.
Die Verwahrentgelte wurden für hohe Kontoguthaben ab einer bestimmten Einlagengröße, zum Beispiel 25.000 oder 50.000 Euro, eingeführt. Sparer, die diese Freigrenze überschritten, mussten für ihr darüber liegendes Guthaben Negativzinsen zahlen. Über diese sogenannten Strafzinsen versuchten viele Banken in der Vergangenheit, dem negativen Einlagenzins entgegenzuwirken. Allerdings schaffen einige Banken nun im Zuge der Leitzinserhöhung das Verwahrentgelt ab. Somit zahlen Verbraucher keine Negativzinsen mehr auf ihr Erspartes.
Was bedeuten höhere Zinsen für Sparer und Anleger?
Nach einer langen Nullzinsphase steigt seit dem Sommer 2022 mit den Zinsanhebungen der EZB auch die Verzinsung von Spareinlagen. Durch die aktuellen Sparzinsen profitieren Anleger von der Anhebung des Leitzinses sowohl beim sicheren, flexiblen Tagesgeld als auch beim laufzeitabhängigen Festgeld von attraktiveren Zinsen.
Um die derzeit hohe Inflation auszugleichen, ist ein cleverer Mix aus Spar- und Wertpapieranlagen sinnvoll, beispielsweise mit verzinsten Anleihen und Rentenfonds.
Tipps für Anleger
Überprüfen Sie noch einmal Ihre Strategie für die Geldanlage. Die richtige Mischung aus Spareinlagen und Investments ist nämlich entscheidend, um eine optimale Rendite im neuen Zins- und Inflationsumfeld zu erreichen. Diese Anlageformen sind lohnenswert.
Tagesgeld
Neben dem Girokonto bieten sich Tagesgeldkonten für flexibles und sicheres Sparen an. Ohne befristete Laufzeit können Sie jederzeit über Ihr Geld verfügen und nach Wunsch weitere Einlagen hinzufügen. Ein Modell, das für Sie ideal ist, wenn Sie einen Notgroschen für kurzfristige oder ungeplante Ausgaben anlegen möchten.
Festgeld
Feste Zinsen und feste Laufzeit: Das sind die verlässlichen Vorteile unserer Festgeldanlage. Bei dieser Form des Sparens legen Sie Ihr Geld über eine definierte Laufzeit zu einem festen Zinssatz an.
Anleihen
Anleihen sind festverzinsliche Wertpapiere, die von Staaten oder Unternehmen herausgegeben werden, um sich Geld an den Kapitalmärkten zu beschaffen. Da die Rendite von der Höhe der Zinsen abhängt, sind sie im aktuellen Zinsumfeld auch für Privatanleger wieder attraktiv. Anleihen gelten im Vergleich zu Aktien als relativ sichere Anlagealternative. Sie bieten regelmäßige Zinszahlungen und das Recht auf eine Rückzahlung Ihres investierten Geldes nach einer festgelegten Laufzeit.
Ein weiterer Tipp: Mit einem Rentenfonds investieren Sie in mehrere Anleihen und können Ihr Risiko schon bei kleineren Anlagebeträgen breit streuen.
Sie möchten noch mehr zum Thema Sparen erfahren?
Weitere Informationen erhalten Sie hier.
Welche Folgen haben die höheren Zinsen für Kreditnehmer?
Wenn Sie einen Kredit aufgenommen haben oder aufnehmen möchten, bedeutet die erneute Zinserhöhung der EZB vor allem eines: weiter steigende Kreditkosten. Bisher konnten Kreditnehmer durch einen niedrigen (Bau-)Zins Eigentum günstig erwerben und Konsumausgaben preiswert finanzieren. Das ändert sich jetzt. Zwar werden bereits aufgenommene Raten- oder Konsumentenkredite zu dem bei Vertragsabschluss vereinbarten Zinssatz weitergeführt. Neu- und Anschlussfinanzierungen verteuern sich allerdings durch höhere Zinsen.
Das heißt: Kreditnehmer, deren Zinsbindung bald endet, könnten durch steigende Kredit- und Rückzahlungsraten in finanzielle Schieflage geraten.
Tipps für Kreditnehmer
Wer aktuell einen Kredit hat oder eine Finanzierung für den Bau oder Kauf einer Immobilie oder eines Konsumgutes plant, sollte folgende Dinge beachten:
Baufinanzierung: Optionen prüfen
Da der Kauf einer Immobilie oft über Jahrzehnte finanziert wird, haben auch minimale Anpassungen des Zinssatzes bei Baufinanzierungen erhebliche Auswirkungen auf Ratenhöhe oder Darlehenslaufzeit. Prüfen Sie also Ihre Optionen und kümmern Sie sich rechtzeitig um eine Neu- oder Anschlussfinanzierung, um sich noch den aktuellen Zinssatz zu sichern.
Sie möchten noch mehr zu den steigenden Bauzinsen erfahren?
Weitere Informationen erhalten Sie hier.
Raten- oder Dispokredit: Umschuldung
Verbraucher, die zum Beispiel einen Ratenkredit für ein Auto abbezahlen oder einen Dispokredit laufen haben, sind ebenfalls von steigenden Leitzinsen betroffen. Im Gegensatz zu den Bauzinsen steigen die Zinsen für Ratenkredite aktuell zwar nur langsam – eine Dynamik nach oben ist allerdings jederzeit möglich.
Kreditinteressierte sollten daher jetzt handeln. Bedienen Sie einen oder mehrere Kredite mit langer Laufzeit oder einen Dispo? Prüfen Sie in diesem Fall unbedingt die Möglichkeit einer Umschuldung. Der Abschluss eines neuen Kredits mit neuen Raten, sowie niedrigerem Zinssatz kann Ihnen mehr finanziellen Spielraum bieten.
Ausblick: Wie sieht die aktuelle Zinsprognose aus?
Die Zinssätze hängen eng mit den Inflationserwartungen zusammen. Um die Inflation auszubremsen, hat die EZB 2022 die größte Erhöhung der Leitzinsen seit der Einführung des Euros beschlossen. Die Inflationsrate im Euroraum ist im Mai 2023 zwar leicht gesunken, beträgt aber immer noch 7,2 Prozent. Damit ist die EZB noch weit davon entfernt, ihr Zwei-Prozent-Ziel bei der Inflation mittelfristig sicherzustellen. Experten prognostizieren auch für die kommenden Monate ähnlich hohe Inflationsraten und rechnen daher mit weiteren Zinserhöhungen durch die Europäische Zentralbank – wenn auch möglicherweise auf niedrigerem Niveau als bisher. Aufgrund dieser Zinsprognosen müssen Sie sich als Sparer, Kreditnehmer und Baufinanzierer in Zukunft vorerst auf weiter steigende Zinsen einstellen.