Zinsgipfel erreicht – lange und kurze Laufzeiten präferiert
28.07.2023
- Leitzinsgipfel der Fed und EZB erreicht
- EZB dürfte lange Zeit die Zinsen konstant lassen
- Fed-Zinssenkungen ab Mitte 2024 wahrscheinlich
- Renditerückgang in der zweiten Jahreshälfte erwartet
- Lange und kurze Laufzeiten präferiert
EZB erhöht wie angekündigt ihren Leitzins
Die EZB erhöhte - wie von EZB-Präsidentin Lagarde angekündigt – jetzt ihren Einlagensatz um weitere 25 Basispunkte (Bp.) auf 3,75%. Anders als im Juni stellte Lagarde für die nächste Sitzung keine weitere Zinserhöhung in Aussicht. Stattdessen machte sie klar, dass es von nun an auf die makroökonomischen Daten ankomme. Diese bestimmten, ob die EZB ihre Leitzinsen auf der nächsten Sitzung im September erhöhe oder ob sie pausiere. Weil wir einen deutlichen Rückgang der Inflation und eine Rezession in der zweiten Jahreshälfte erwarten, prognostizieren wir weiter keine Zinserhöhung für September. Auf der anderen Seite teilen wir nicht die Meinung der Märkte, dass die EZB ihren Zinsen schon 2024 senken wird. Denn die stark steigenden Löhne werden die Inflation bei Dienstleistungen hochhalten. Das wird einen weiteren Rückgang der Inflation 2024 verhindern.
Fed lässt sich alle Optionen offen
Die US-Notenbank hob in der Sitzung im Juli wie erwartet die Leitzinsen um 25 Basispunkte an, so dass der Zielkorridor jetzt bei 5,25% - 5,50% liegt. Fed-Chef Powell gab sich auf der Pressekonferenz Mühe, der Fed die Optionen auf weitere Zinsschritte offenzuhalten. Powell wollte sich nicht darauf festlegen, dass Zinserhöhungen jetzt nur auf jeder zweiten Sitzung möglich seien. Letztlich sei die Entscheidung datenabhängig. Powell verwies darauf, dass bis zur Sitzung im September (die erst in acht Wochen stattfindet) zwei weitere Veröffentlichungen von Verbraucherpreisdaten und zwei Arbeitsmarktberichte anstünden. Dabei komme es besonders auf weitere Fortschritte bei der Inflationsbekämpfung an.
Wir rechnen damit, dass sich das Wachstum in den USA im zweiten Halbjahr deutlich abschwächt und erwarten eine leichte Rezession. Entsprechend gehen wir davon aus, dass mit dem aktuellen Zinsniveau der Zinsgipfel erreicht ist.
Leitzinsentwicklung
EZB und Fed am Leitzingipfel?
Leitzinsausblick 2024
Viel wichtiger als das Erreichen der Gipfel ist der weitere Leitzinsausblick für das nächste Jahr. Fed-Chef Powell schloss eine Zinssenkung in diesem Jahr aus. Das halten wir auch für unwahrscheinlich, denn die Inflation bleibt über den Zielen der Fed und die Rezession sollte sich als eher milde erweisen. Da wir aber auch für nächstes Jahr keine große wirtschaftliche Erholung erwarten und der Preisdruck weiter abnehmen sollte, sind Zinssenkungen der Fed 2024 für uns wahrscheinlich. Damit rechnen wir aber erst ab Jahresmitte. Denn die Fed wird sich absichern wollen, dass sich die Inflationsrate tatsächlich in Richtung 2% bewegt. Wir erwarten Senkungen um insgesamt 100 Bp. Die Marktteilnehmer gehen dagegen davon aus, dass die Leitzinsen schon im Frühjahr und stärker gesenkt werden.
Bei der EZB gab es Forderungen von Ratsmitgliedern, wie z.B. von Frau Schnabel, lieber zu viel zu erhöhen, als zu wenig. Dies könne gegebenenfalls mit Zinssenkungen wieder korrigiert werden. Da wir das jedoch nicht erwarten, dürfte die Inflation länger unbefriedigend hoch bleiben. Zinssenkungen sind nicht in Sicht, auch wir erwarten für das nächste Jahr keine. Die Marktteilnehmer gehen noch mehrheitlich von einer Zinserhöhung in diesem Jahr und dann ab Jahresmitte 2024 von Zinslockerungen der EZB aus.
Leitzinserwartungen
Markterwartungen und Commerzbank-Prognosen
Renditeausblick und Anlagestrategie
Nach wie vor gehen wir davon aus, dass die Staatsanleiherenditen der Industriestaaten in der zweiten Jahreshälfte zurückgehen. Dabei dürften sich die stark inversen Zinskurven (Renditen längerer Laufzeiten liegen unter den Renditen kürzerer Laufzeiten) wieder etwas normalisieren. D.h. wir rechnen damit, dass die Renditen kurzlaufender Bundesanleihen oder US-Treasuries stärker zurückgehen, als die Renditen längerlaufender Renditen. Trotzdem dürften die Zinskurven das ganze nächste Jahr über invers bleiben, da wir für die USA nur begrenzte Zinssenkungen erwarten und für den Euroraum mit keinen Zinslockerungen rechnen.
Eine Rentenanlage auf den aktuellen Renditeniveaus erachten wir für alle Laufzeiten als attraktiv. Wir präferieren jedoch kurze und längere Laufzeiten. Da die Zinskurve invers ist, erhält man im kurzen Laufzeitensegment eine deutlich höhere Rendite als im längeren Laufzeitenbereich und das mit geringen oder gar keinen Kursrisiken. Im längeren Laufzeitenbereich besteht die Chance, sollten die Renditen zurückgehen, Kursgewinne zu erzielen.
Horizontanalyse für Bundesanleihen
Aktuelle Zinskurve mit Verschiebung um 50 Bp. nach oben und unten Performance nach Ziskurvenverschiebung in 12 Monaten (untere Grafik)
Ausblick für den US-Dollar
Der Euro gab nach der EZB-Ratssitzung deutlich nach und sank wieder unter 1,10 US-Dollar. Der Hauptgrund dafür ist aber nicht die EZB, sondern die überraschend starken Daten aus den USA. Nicht nur das BIP-Wachstum im zweiten Quartal überraschte deutlich auf der Oberseite, auch die Auftragseingänge im Juni und niedrigere Zahlen bei den Erstanträgen auf Arbeitslosenhilfe zeichnen das Bild einer nach wie vor äußerst widerstandsfähigen US-Wirtschaft.
Wir erwarten, dass die Fed im Zuge der sich abkühlenden US-Wirtschaft im kommenden Jahr ihren Leitzins wieder um 100 Bp. senken wird. Gleichzeitig dürfte die EZB an dem im Juli erreichten Leitzinsniveau festhalten. Davon dürfte der Euro profitieren. Da wir das Potenzial für eine Euro-Aufwertung als begrenzt einschätzen, belassen wir das Votum für den US-Dollar bei neutral.

Fazit
Wir rechnen damit, dass die EZB und die Fed ihre Leitzinsgipfel erreicht haben. Die EZB dürfte die Leitzinsen lange Zeit konstant halten und die Fed ab Mitte nächsten Jahres um 100 Bp. senken. Im Zuge der erwarteten Konjunkturabkühlung und der rückläufigen Inflation dürften die Renditen in der zweiten Jahreshälfte zurückgehen. Staatsanleihen sind in dem Umfeld attraktiv. Wir empfehlen alle Laufzeiten, präferieren aber den kurzen und langen Laufzeitenbereich.
Impressum
Herausgeber
Commerzbank Aktiengesellschaft, Kaiserplatz, 60261 Frankfurt am Main.
Diese Ausarbeitung oder Teile von ihr dürfen ohne Erlaubnis der Commerzbank weder reproduziert, noch weitergegeben werden, ©2023.
Redaktion
Martin Hartmann, CEFA
Detailinformationen zu den Chancen und Risiken der genannten Produkte hält Ihr Berater für Sie bereit.
Wichtige Hinweise
Kein Angebot; keine Beratung
Diese Information dient ausschließlich Informationszwecken und stellt weder eine individuelle Anlageempfehlung noch ein Angebot zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren oder sonstigen Finanzinstrumenten dar. Diese Ausarbeitung allein ersetzt nicht eine individuelle anleger- und anlagegerechte Beratung.
Auswirkung von Inflation
Grundsätzlich beeinflusst die Entwicklung der Inflationsrate Ihren Anlageerfolg. Ein daraus resultierender Kaufkraftverlust betrifft sowohl die erzielten Erträge als auch Ihr investiertes Kapital.
Darstellung von Wertentwicklungen
Angaben zur bisherigen Wertentwicklung erlauben keine verlässliche Prognose für die Zukunft. Die Wertentwicklung kann durch Währungsschwankungen beeinflusst werden, wenn die Basiswährung des Wertpapiers/ Index von EURO abweicht.