Übertriebene Zinssenkungsspekulationen?
20.03.2023
- Volatilität an den Rentenmärkten hoch
- Zinssenkungsspekulationen für die Fed und EZB
- Flucht in Sicherheit übertrieben – kann aber anhalten
- Zurückhaltung beim Kauf längerer Laufzeiten
- Kurse von Bankenanleihen deutlich unter Druck
Hohe Volatilität, Renditen gehen kräftig zurück
In der vergangenen Woche nahm die Volatilität an den Ren-tenmärkten infolge der Marktturbulenzen in den USA und dem Kursabsturz der Credit Suisse-Aktie massiv zu. Es setzte im Laufe der Woche ein deutlicher Abwärtstrend bei den Staats-anleiherenditen durch. Dieser wurde von einer Flucht in Staatsanleihen und der Korrektur der Zinsspekulationen für die Notenbanken hervorgerufen. Der Renditerückgang setzte sich heute weiter fort. Dabei sanken die Renditen kurzer Staatsanleihen stärker als die der längerlaufenden, so dass die Zinsstrukturkurven deutlich weniger invers geworden sind. Die Rendite 2-jähriger Bundesanleihen sank am Mon-tag zwischenzeitlich unter 2,20%, also rund 80 Basispunkte (Bp.) unter dem aktuellen Leitzins der EZB.
Zinssenkungsspekulation in den USA schon im Sommer
Die Zinserhöhungsspekulationen gehen stark zurück. Für die Fed wird bereits im Sommer mit Zinssenkungen gerechnet. Für die Fed-Sitzung am kommenden Mittwoch wird jetzt teil-weise mit keiner Zinserhöhung mehr gerechnet. Auch für die die EZB wird zunächst keine Zinserhöhung mehr eingepreist und im späteren Jahresverlauf erwartet der Markt sogar Zins-senklungen. Die Veränderung der Zinserwartungen kann man gut an den Futures für den 3-Monats-Euribor und für die Fed-Funds-Futures ablesen (aktuell: gelbe Linie).
Renditekurven normalisieren sich
Die Zinsstrukturkuren im Euroland und den USA sind stark invers geworden. Die Kurve für Bundesanleihen war zuletzt zur Wiedervereinigung so invers, etwas weniger zur Finanz-krise 2008/2009. Eine inverse Zinskurve war meist ein Vorläu-fer für eine Rezession. Die Zinssenkungsspekulationen ha-ben nun zu einer Versteilerung geführt. Bei Bundesanleihen ging der Renditenachteil von 10 zu 2-jährigen Bundesanlei-hen von minus 69 Bp. auf minus 21 Bp. zurück, bei US-Treasuries von minus 108 Bp. auf minus 39 Bp.
Ausblick
Die aktuelle Vertrauenskrise in das Bankensystem ist aus unserer Sicht übertrieben. Wir gehen davon aus, dass die Rettungsmaßnahmen der Notenbanken und der Regierun-gen am Ende erfolgreich sein werden. Die krisenhafte Markt-reaktionen, wie hohe Risikoaversion und Spreadausweitung bei Corporates bzw. Emerging-Markets-Anleihen können sich aber durchaus noch verstärken. Eine länger anhaltende Vola-tilität an den Rentenmärkten ist nicht ausgeschlossen.
Wir halten die derzeitige Flucht in Sicherheit aber für über-trieben und erwarten keine systemische Krise, wie z.B. 2008/2009. Kurzfristig kann es wieder zu steigenden Rendi-ten kommen, wenn eine Beruhigung eintritt. Wir rechnen weiterhin mit Zinserhöhungen der EZB, jetzt nur noch auf 3,5% (vorher 4,0%) und der Fed auf 5,5% (vorher 6,0%). Wir raten daher momentan zur Zurückhaltung beim Kauf längerer Laufzeiten auf dem zurückgekommenen Renditeniveau. Auf-grund der hohen Volatilität und Unsicherheit ändern wir unse-re Voten aber nicht und bleiben bei allen Laufzeiten bei unse-rem Kaufvotum für erstklassige Staatsanleihen. Längerfristig rechnen wir mit sinkenden Renditen.
Kurse von Bankenanleihen deutlich unter Druck
Die große Nervosität an den Kapitalmärkten wirkt sich auch massiv auf die Kursentwicklung von Bankenanleihen aus. Während sich die Risikoaufschläge (Spreads) bei den reinen Unternehmensanleihen, den sogenannten „Non-Financials“, in den vergangenen Tagen nur wenig ausweiteten – aufgrund der stark gesunkenen Bundrenditen sind hier teilweise sogar Kursgewinne zu verzeichnen – sieht es bei Papieren von Banken dagegen ganz anders aus. Der Abstand zwischen den Renditen von Bankenanleihen und von der Laufzeit ent-sprechenden Bundesanleihen oder Swapsätzen vergrößerte sich massiv. Innerhalb einer Woche weiteten sich zum Bei-spiel die Spreads von Senior-Non-Preferred Anleihen im iBoxx-Banken-Index im Durchschnitt um rund 40 Bp. aus.
Die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS dürfte zwar vom Markt positiv aufgenommen werden, die Unruhe ist aber noch nicht verflogen. Insbesondere die Halter der AT-1-Anleihen (diese zählen zum Kernkapital) der Credit Suisse erleiden einen Totalverlust. Denn diese Papiere im Nominal-wert von 16 Mrd. Franken werden auf null abgeschrieben. Das Segment der AT-1-Anleihen war nach der Finanzkrise 2008 eingeführt worden. Sie sollen einen zusätzlichen Puffer bilden, damit Banken in Krisenzeiten nicht so schnell zusam-menbrechen. Die Papiere werden in Aktien umgewandelt oder abgeschrieben, wenn die Kennzahlen einer Bank unter bestimmte Schwellen fallen. Dass die Papiere bei der Credit Suisse komplett abgeschrieben werden, hatte die Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma am Sonntagabend entschieden. Sie begründete dies mit der „außerordentlichen staatlichen Unterstützung“ im Zuge der Übernahme durch die UBS. Die Abschreibung bei Credit Suisse ist die bisher größte auf Pa-piere dieser Art. Insgesamt ist der Markt für AT-1-Anleihen in Europa rund 250 Mrd. Euro groß.
In der Regel sind die Aktionäre die ersten, deren Kapital auf-gezehrt wird, bevor Anleihegläubiger mithaften. Die Ankündi-gung, dass die Credit Suisse ihre AT-1-Bonds jetzt vollständig abschreibt, die Aktionäre jedoch einen Kaufpreis von 3,25 Mrd. Dollar erhalten, hat viele Marktteilnehmer überrascht. Andererseits spricht viel dafür, dass diese beabsichtigt einge-führte Mithaftung auch durchgesetzt wird. Jeder Anleger in AT-1-Anleihen sollte sich generell dieses hohen Risikos be-wusst sein.
Was bedeutet das für unsere Kunden?
AT-1-Anleihen werden heutzutage aufgrund des entspre-chend hohen Ausfallrisikos explizit nicht für Kunden mit höchstem Schutzniveau begeben, sondern nur für Professio-nelle Kunden. Daher dürften die meisten Privatkunden von diesem Ausfall verschont bleiben. Die aktuelle Marktphase zeigt, dass die Haftungsrangfolge nicht nur ein theoretisches Konstrukt ist, welches einen angeblich leicht zu verdienenden Zusatzertrag bietet. Eine Investition in eine solche Anlage-klasse sollte daher wohl überlegt sein. An dieser Stelle möch-ten wir darauf hinweisen, dass wir seit jeher keine Credit Suisse Anleihen zur Anlage empfohlen haben.
Generell raten wir weiterhin zu klassischen „Banken-Senior-Anleihen“ und den momentan robust handelnden Non-Financials. Für risikofreudige Investoren bieten sich zudem die deutlich höher rentierlichen Nachranganleihen (Tier-2-Kapital) an.

Fazit
Die Vertrauenskrise im Bankensektor hat zu einer Flucht in sichere Häfen geführt. Die Staatsanleiherenditen sind kräftig gesunken. Die hohe Volatilität und Unsicherheit können noch eine Weile andauern. Wir gehen jedoch nicht von einer systemischen Krise aus und sehen die Marktreaktionen als übertrieben an. Da wir von einem Anstieg der Renditen ausgehen, raten wir momentan zur Zurückhaltung beim Kauf längerlaufender Anleihen.
Bei den deutlich höher rentierlichen Unternehmensanleihen bleiben wir in allen Laufzeitenbändern bei unserem Kaufvotum. Insbesondere für risikofreudige Investoren bieten sich derzeit Bankenanleihen (Senior- und Nachrang/Tier2) aufgrund der stark gestiegenen Risikoaufschläge als Anlage an.
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Redaktion
Burkhard Fehling
Martin Hartmann, CEFA
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