Fed-Leitzinswende vor einem Jahr am 16. März 2022! Negative Folgen der restriktiven Geldpolitik werden für Aktienmärkte nun zunehmend spürbar
17.03.2023
- Aggressive Fed-Leitzinswende startete vor einem Jahr
- Inverse Zinsstruktur ein wichtiges Warnsignal für Aktien
- Schwaches M1-Geldmengenwachstum belastet US-Banken
- Schieflage einiger US-Regionalbanken nach Zinsanstieg
- In Phasen mit VDAX größer 30 Aktienpositionen aufstocken
- China-Comeback und DAX-Dividenden als positive Trends
US-Notenbank startete vor einem Jahr die Leitzinswende
Vor einem Jahr, am 16. März 2022, startete für die Aktienmärkte die monetäre Zeitenwende, da die US-Notenbank erstmals ihren Leitzins erhöhte. In den kommenden zwölf Monaten folgte eine dramatische Verschärfung der für die Aktienmärkte wichtigen monetären Indikatoren. Mit der Schieflage einiger US-Regionalbanken als Startpunkt dürften nun die negativen Folgen der restriktiveren Geldpolitik zunehmend spürbar werden. Denn Volkswirte schätzen, dass es regelmäßig vier bis sechs Quartale dauert, bis Leitzinserhöhungen beginnen, in der Realwirtschaft zu wirken. Seit dem März 2022 hat die US-Notenbank ihren Leitzins sehr aggressiv um 450 Basispunkte von 0,00%-0,25% auf aktuell 4,50%-4,75% nach oben geschleust. Wir erwarten noch drei weitere 25-Basispunkt-Schritte auf 5,25%-5,50%.
Drastisch steigende Leitzinsen im Euroraum und den USA
EZB-Einlagenzins und Fed-Leitzins (obere Spanne) in %
Im Euroraum erhöhte die europäische Notenbank ihren Einlagenzins um 350 Basispunkte von minus 0,5% auf aktuell 3,0%, und der Refinanzierungssatz wurde von der EZB von 0,0% auf 3,5% nach oben angepasst. Für den EZB-Einlagensatz prognostizieren wir noch zwei weitere 25-Basispunkt-Schritte auf 3,5% in den kommenden Monaten.
Die stark steigenden Leitzinsen hatten die Renditen für zweijährige Staatsanleihen von März 2022 bis Anfang März 2023 dynamisch nach oben getrieben: in den USA von 1,9% auf in der Spitze 5,1% und in Deutschland von minus 0,3% auf ein Hoch von 3,3%. In den USA lag damit Anfang März die Rendite der zweijährigen Staatsanleihe mehr als 300 Basispunkte über der S&P 500-Dividendenrendite von 2%.
Zinswende: Dividendenrenditen verlieren an Attraktivität
Renditen im Vergleich in %: S&P 500-Dividende, USA-2-Jahre
Und in Deutschland notierte die zweijährige Rendite erstmals wieder im Bereich der DAX-Dividendenrendite von etwas mehr als 3%. Durch die restriktive Geldpolitik hat in den vergangenen zwölf Monaten die Anlage in Dividendenaktien damit im relativen Vergleich deutlich an Attraktivität verloren.
Inverse Zinsstruktur ist häufig ein Warnsignal für Aktien
Zudem hat der Sprung der zweijährigen Renditen dazu geführt, dass Anfang März sowohl in den USA als auch im Euroraum die Zinsstrukturkurven stark invers waren. In den USA lag die zweijährige Rendite mit 5,1% 110 Basispunkte über der zehnjährigen Rendite von 4,0%. Und im Euroraum bot die zweijährige Anleihe mit 3,3% 70 Basispunkte mehr als die zehnjährige mit 2,6%. Für Aktieninvestoren ist diese Inversion der Zinsstrukturkurven ein ernstzunehmendes monetäres Warnsignal, da in vergangenen Konjunkturzyklen Aktienmärkte nach Phasen mit einer inversen Struktur regelmäßig unter Druck kamen. So war die US-Zinsstruktur sowohl im Jahr 2000 als auch im Jahr 2007 im Vorfeld der darauf folgenden Aktienbärenmärkte invers.
Inverse Zinsstruktur häufig im Vorfeld einer Rezession
Rendite-Differenz USA-10-Jahre minus USA-2-Jahre in %p
Schwaches Geldmengenwachstum trübt den Konjunkturausblick und belastet den Bankensektor
Auch das Wachstum des täglich verfügbaren Geldes in einer Volkswirtschaft, die sogenannte M1-Geldmenge, war in vergangenen Zyklen ein wichtiger monetärer Frühindikator für die Aktienmärkte. In Phasen mit einem schwachen Geldmengenwachstum - wie 2000/01 oder 2007/08 – kamen Aktien regelmäßig unter Druck. Daher beobachten wir mit Sorge, dass das Wachstum der Geldmenge seit März 2022 eingebrochen ist. Im Euroraum hat sich das M1-Geldmengenwachstum von 9% auf minus 1% abgeschwächt und liegt damit erstmals in 35 Jahren im negativen Bereich.
Negatives Euro-M1-Geldmengenwachstum belastet Ifo
Wachstum der Euro-M1-Geldmenge in % und Ifo-Erwartungen
Ein schwaches Geldmengenwachstum war häufig ein Warnsignal, dass dem Ifo-Index und der deutschen Konjunktur eine Schwächephase bevorstand. Auch in den USA ist der Zuwachs der M1-Geldmenge von 12% auf minus 4% kollabiert. Die schrumpfende M1-Geldmenge ist auch ein Indiz, dass die Einlagen der Kunden bei den US-Banken nicht mehr wachsen bzw. sogar fallen. Unter anderem daran ist die US-Regionalbank Silicon Valley Bank SVB gescheitert, da die SVB aufgrund sinkender Kundeneinlagen Buchverluste im Anleihe-Portfolio schließlich verlustbringend realisieren musste.
M1-Geldmenge in den USA derzeit 4% unter Vorjahr
USA: Wachstum der M1-Geldmenge in % und Rezessionen
Schieflage einiger US-Regionalbanken ein Beispiel für den zunehmenden Druck durch restriktive Geldpolitik
Die deutlichen Dividendenkürzungen deutscher Immobilienaktien und die Schieflage einiger US-Regionalbanken sind für uns erste Beispiele, warum die negativen Auswirkungen der restriktiven monetären Trends in den kommenden Monaten die Aktienmärkte regelmäßig belasten dürften. So könnten auch US-Gewerbeimmobilien bald in das Blickfeld rücken. Im US-Bankensystem hat sich das Volumen der Gewerbeimmobilien-Kredite seit 2014 von 1.500 Mrd. USD auf 3.000 Mrd. USD verdoppelt. Bislang haben die Banken kaum Abschreibungen auf diese Kredite vorgenommen, obwohl sich ein von Bloomberg berechneter Index für US-Gewerbeimmobilien-Aktiengesellschaften in den vergangenen zwölf Monaten halbiert hat.
Börsennotierte Gewerbeimmobilien-AGs unter Druck
USA: Bloomberg Office Property REIT-Index
Auch recht illiquide und mit Fremdkapital finanzierte Investments im Bereich Private Equity oder in privaten Kreditfonds (Auto- und Kreditkartenkredite) tauchen bei manchen Investoren als potenzielle Sorgenkinder auf dem Radarschirm auf.
Wir erwarten in den kommenden Monaten mehrere nervöse Marktphasen mit einem VDAX über 30
Aufgrund der seit März 2022 recht dramatischen Verschärfung der monetären Indikatoren prognostizieren wir hohe Kursschwankungen an den Aktienmärkten in den kommenden Monaten. Wir erwarten mehrere Marktphasen mit einem Sprung der impliziten DAX-Volatilität VDAX über die Marke von 30 (aktuell 23). Wir empfehlen Investoren, vorrangig in diesen sehr nervösen Marktphasen Aktienpositionen in vorsichtigen, kleinen Schritten aufzustocken.
Grafik 5: VDAX größer 30 markiert Nachkaufgelegenheiten
Implizite DAX-Volatilität VDAX seit Anfang 2021
In den kommenden Monaten wird es wahrscheinlich regelmäßig Stützungsmaßnahmen und Rettungspakete geben, um aufkommende Krisenherde zu beruhigen. Diese Maßnahmen dürften schnelle, kräftige Erholungen an den Aktienmärkten auslösen. Wir raten Investoren, nicht diesen schnellen Erholungen hinterherzuspringen, sondern für den Aktienzukauf auf schwache, von hoher Nervosität geprägte Marktphasen zu warten.
China-Erholung, steigende DAX-Dividendensumme und DAX-Dividendenrendite 3,4% positive DAX-Trends
Im Hintergrund finden Investoren durchaus positive Aspekte, warum sich in den kommenden Monaten antizyklische Aktienkäufe langfristig auszahlen sollten. So werden die DAX-Unternehmen von einem wieder stärkeren Wachstum in China profitierten (Commerzbank: China-Wachstumsprognose 5,2% für 2023). Zudem werden wahrscheinlich 26 DAX-Unternehmen eine höhere Dividende für das Geschäftsjahr 2022 zahlen, und die DAX-Dividendensumme dürfte trotz Ukraine-Krieg, Energiepreis-Schock und Zinsanstieg um 3% auf 52 Mrd. EUR steigen.
Dividendensumme steigt trotz Energiepreis-Krise
DAX-Dividendensumme für die Geschäftsjahre in Mrd. EUR
Bei einer aktuellen DAX-Marktkapitalisierung von ungefähr 1.500 Mrd. EUR bietet der Index demnach eine attraktive Dividendenrendite von 3,4%. Und durch die Schieflage einiger US-Regionalbanken haben sich monetäre Indikatoren teilweise wieder etwas entspannt. So ist die Rendite für zweijährige Staatsanleihen in Deutschland von 3,3% auf 2,6% gefallen und liegt damit wieder 80 Basispunkte unter der erwarteten DAX-Dividendenrendite. Und in den USA ist die zweijährige Rendite zuletzt deutlich von 5,1% auf 4,1% gesunken.

Fazit
Wir werten die deutlichen Dividendenkürzungen deutscher Immobilienaktien und die Schieflage einiger US-Regionalbanken als Beispiele, wie die negativen Folgen der weltweit restriktiven Geldpolitik für die Aktienmärkte nun zunehmend spürbar werden. In den kommenden Monaten dürften die Kursschwankungen an den Aktienmärkten deutlich zunehmen. Wir empfehlen daher, vorrangig in sehr nervösen Marktphasen – gekennzeichnet durch eine implizite DAX-Volatilität VDAX von mehr als 30 (aktuell 23) – Aktienpositionen in vorsichtigen, kleinen Schritten auszubauen. Ein wieder stärkeres Wachstum in China, eine trotz Energiepreiskrise wahrscheinlich um 3% auf 52 Mrd. EUR steigende DAX-Dividendensumme und eine attraktive DAX-Dividendenrendite von 3,4% sprechen dafür, dass sich am deutschen Aktienmarkt antizyklische Käufe auf lange Sicht auszahlen sollten.
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