US-Schuldengrenze sehen die Märkte noch gelassen
12.05.2023
- Finanzministerin Yellen warnt vor Zahlungsunfähigkeit
- Versicherungen gegen US-Zahlungsausfall kräftig gestiegen
- Mögliche Ratingherabstufungen könnten lange belasten
- Aktienmärkte zur Haushaltskrise 2011 stark unter Druck
- US-Bondmarkt noch ruhig
Erreichen der Schuldenobergrenze in den USA
Im Januar sind die Schulden der US-Bundesregierung an die Ende 2022 auf knapp 31,4 Bio. $ erhöhte gesetzliche Obergrenze gestoßen. Seitdem darf die Regierung keine neuen Schulden mehr aufnehmen. Sie muss daher vorerst mit den Steuereinnahmen auskommen, die allerdings nur etwa 75% der Ausgaben decken. Die Lücke kann einen gewissen Zeitraum durch den vorhandenen Kassenbestand gedeckt werden. Zudem greift die Finanzministerin auf eine Reihe „außerordentlicher Maßnahmen“ zurück, um Zeit zu gewinnen.
US-Regierung ist an die Schuldengrenze gestoßen
Gesetzliche Schuldengrenze und Schuldenstand der US-Bundestegierung, in Biollionen $
Quelle: Treasury,S&P Global, Commerzbank-Research
Die Zeit läuft aber ab, US-Finanzministerin Yellen warnte vor möglichen Zahlungsausfällen bereits Anfang Juni. Bisher scheint sich keine Einigung zwischen Republikanern und Demokraten abzuzeichnen.
Dieses Problem tritt ebenso wie die Bewilligung des Staatshaushalts regelmäßig auf und hält die Kapitalmärkte mehr oder weniger in Atem, je nach Kompromisswilligkeit der Parteien. In Bezug auf die Haushaltsbewilligung hatte dies schon mehrmals zu „Government-Shutdowns“ geführt, also zu Phasen, in denen Staatsangestellte, die keine unerlässlichen Funktionen haben, in unbezahlten Urlaub geschickt werden. Dieses war seit Beginn der 90er Jahre immerhin siebenmal der Fall und schockte die Anleger auch wegen des überschaubaren konjunkturellen Effekts immer weniger.
Ökonomische Kosten eine Zahlungsausfalls
Die ökonomischen Kosten eines Zahlungsausfalls werden durch eine Simulationsrechnung des den Präsidenten beratenden Sachverständigenrats (Council of Economic Advisors, CEA) illustriert. Diese nehmen bei einem Default einen Stimmungsschock wie bei der Finanzkrise von 2008 an und unterstellen eine Kürzung der staatlichen Ausgaben von 20% bis 30% (d.h. der Staat kann dann nur noch soviel ausgeben, wie er einnimmt). Selbst im Falle eines nur kurzen Zahlungsausfalls ergibt die Simulation für Q3 einen Jobverlust von einer halben Million (zum Vergleich: im 1. Quartal sind fast 0,9 Millionen Jobs neu entstanden). Bei einer schweren Budgetkrise mit länger anhaltendem Zahlungsausfällen wäre sogar mit einem Jobverlust von über 8 Millionen zu rechnen.
Tabelle 1 - Auswirkungen eines Default
Kurz- und längeranhaltender Zahlungsausfall der US-Bundesregierung, Auswirkungen im 3. Quartal 2023 gemäß Simulation des CEA.
Quelle: CEA, Commerzbank Research
Die Simulation wurde auf Basis des Makromodells der Fed durchgeführt. Der CEA unterstellt allerdings, dass die Fed nur verzögert auf die Krise reagieren würde, da sie noch mit hoher Inflation kämpft. Diese geldpolitische Reaktion würde die Krise verschärfen. Ob dies eine plausible Annahme ist, ist allerdings zweifelhaft. Ein Default wäre eine unmittelbare und schwere Bedrohung für das Beschäftigungsziel der Fed. Der Risikomanagement-Ansatz der Notenbank würde dafürsprechen, auf diese Bedrohung scharf zu reagieren und das Verfehlen des Preisziels erst einmal hintenanzustellen. Aber auch dann würde die US-Wirtschaft noch schwere Blessuren davontragen. Die langfristigen Folgen für die Finanzmärkte und die Rolle des Dollar sind nur schwer abzuschätzen, aber sicherlich negativ.
Aktienmarktreaktion zu Haushaltskrise 2011
Ein Zahlungsausfall der USA hätte wie beschrieben deutlich drastischere Auswirkungen und würde für extreme Marktreaktionen sorgen. Eine Blaupause dafür dürfte die Phase von April bis August 2011 sein. Im April hatte die Ratingagentur Standard & Poors erstmalig vor einem Zahlungsausfall der USA gewarnt und den Ausblick in Ihrem US-Rating gesenkt. Die Marktreaktionen waren mit ca. 2% noch überschaubar. Da sich aber bis August keine Einigung im Streit um die Schuldenobergrenze abzeichnete, drohten in Folge auch die beiden anderen Agenturen Moody’s und Fitch mit einer Herabstufung. Im Juni setzte Fitch sogar ein Ultimatum für Anfang August. Erst wenige Stunden vor Ablauf der Frist, mit der die Zahlungsunfähigkeit eingetreten wäre, stimmte der US-Senat einem Kompromissvorschlag zu und wendete damit den Staatsbankrott ab.
An den Aktienbörsen wurde diese große Verunsicherung mit deutlichen Kursverlusten quittiert. Von April bis August gab der S&P 500 um mehr als 10% nach und erst im Februar 2012 konnten die Kursniveaus von April 2011 zurückerlangt werden.
Aktueller Ausblick für die Aktienmärkte
This time is different? Aktuell reagieren die Anleger noch vergleichsweise entspannt. Seit den Zwischenwahlen hat die US-Regierung nicht mehr den gesamten Kongress hinter sich (Stimmenmehrheit im Repräsentantenhaus bei den Republikanern), und es war somit bereits länger klar, dass keine Entscheidung über den Haushalt und die Schuldenobergrenze getroffen werden, ohne die Vorstellungen der Opposition zu berücksichtigen. Es dürfte allerdings die Hoffnung vorherrschen, dass die beiden Parteien im Vorfeld der Präsidentenwahlen im nächsten Jahr, die durch das aktuelle Positionieren der möglichen Kandidaten für die innerparteilichen Vorausscheidungen in den Marktfokus gelangt sind, nicht die Verantwortung für einen Zahlungsausfall übernehmen wollen. Darüber hinaus ist man gewohnt, dass Entscheidungen sehr oft bis kurz vor Erreichen der Frist hinausgezögert werden. Allerdings sind die Positionen von Demokraten und Republikanern so weit auseinander, dass jeglicher Kompromiss nur zustande kommt, wenn mindestens eine Partei von einem Teil ihrer Forderungen abrückt. Da bei den Republikanern der radikale Flügel nach dem Wahldebakel von Kevin McCarthy (Sprecher der Republikaner im Repräsentantenhaus) seinen Einfluss wieder deutlich erhöht hat und die noch ausstehenden Programme von Präsident Biden (American Family Program, Inflation Reduction Act) weitere Mittel aus dem erschöpften Budget erfordern, erscheint dies sehr schwierig. Auch dieses Mal ist es dementsprechend wahrscheinlich, dass die Börsen bis kurz vor dem Tag X mit dieser zusätzlichen Unsicherheit leben müssen. Trotz der inzwischen erlernten Rationalität der Anleger könnte hier mit dem Zeitablauf doch die Nervosität wieder deutlicher ansteigen.
US-Rentenmarkt: Ratingherabstufung droht
Das Eintrittsdatum einer möglichen Zahlungsunfähigkeit der USA ist sehr unklar. So schätzt US-Finanzministerin Yellen, dass es bereits am 1. Juni 2023 erreicht sein könnte. Prognosen vom US-Haushaltskongress gehen dagegen von Juli bis September aus. Die sogenannten Risikoprämien für Credit Default Swaps, die Kosten für die Versicherung der US-Schulden gegen einen Zahlungsausfall, stiegen bereits kräftig an, übersteigen inzwischen sogar die einiger Schwellenländer.
USA-Kreditausfallversicherung (Credit Default Swaps)
Spreads - Laufzeit 5 Jahre
Quelle: Bloomberg
Momentan erwarten nur wenige Marktteilnehmer, dass die USA einen Zahlungsausfall riskieren. Aber selbst ein technischer Zahlungsausfall (die Zins- und Tilgungszahlungen verzögern sich), dürfte US-Staatsanleihen stark belasten.
Die Ratingagenturen könnten aber darauf reagieren. So prüft die europäische Agentur Scope bereits eine Herabstufung der Kreditwürdigkeit. Sie erklärte, dass man untersuche, ob die bisher vergebene Note AA gesenkt werden müsse. Bei den Agenturen Moody’s und Fitch werden den USA die Spitzennote AAA vergeben. Standard & Poors senkten die Bonität 2011 im Zuge der damaligen Haushaltskrise von AAA auf AA+. Das Rating wurde bis heute nicht mehr angehoben. Sollte jetzt eine Ratingherabstufung durchgeführt werden, dürfte sie nicht sofort wieder rückgängig gemacht werden und könnte den US-Bondmarkt lange Zeit belasten und die Kosten einer Kreditaufnahme in allen Bereichen längerfristig erhöhen.
US-Dollar könnte abwerten
Zweifelsohne würde der US-Dollar Schaden nehmen, wenn die USA einen Zahlungsausfall riskiert. Dabei könnte ein kräftiger Kapitalmarktabzug aus dem US-Dollar erfolgen. Dies hätte globale Folgen, denn der US-Dollar macht 60 Prozent der globalen Währungsreserven aus. Inwieweit der US-Dollar in Mitleidenschaft gezogen werden würde, ist kaum abzusehen. Bei der Haushaltskrise 2011 führte die Ratingherabstufung zu einer Abwertung des US-Dollars um mehr als 10% über mehrere Monate. Aber auch hier ist bisher noch keine Nervosität der Marktakteure zu erkennen. Der US-Dollar hat in den letzten Tagen sogar an Wert zulegen können.

Fazit
Nachdem die erste Diskussion zwischen Spitzenpolitikern beider Parteien erfolglos blieb, findet das nächste Treffen heute statt. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich die Verhandlungen lange hinziehen. Auch wenn wir davon ausgehen, dass es einen späten Kompromiss geben wird, dürfen die Gefahren für die Kapitalmärkte nicht unterschätzt werden. Je länger die Unsicherheit um einen möglichen Zahlungsausfall andauert, umso belastender wird dies insbesondere für Risikoanlagen sein.
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Redaktion
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Bernd Weidensteiner
Martin Hartmann, CEFA
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