Neutraler Zins: EZB-Modelle und Dot-Plot
Der "neutrale Zins" rückt in den Mittelpunkt der Diskussionen um den weiteren Kurs der EZB.
Commerzbank Economic Research
16.01.2025
Auch wenn der neutrale Zins ein schwammiges Konzept darstellt, haben ihn doch die meisten Notenbanken und EZB-Ratsmitglieder in ihren Instrumentenkasten, um wenigstens ein Gespür dafür zu bekommen, wo der Zins liegen könnte, bei dem die Wirtschaft spannungsfrei wächst und sich die Inflation langfristig bei 2% einpendelt. Nicht umsonst konstatierte Präsidentin Lagarde auf der Pressekonferenz nach der letzten Zinssitzung, dass der neutrale Zins in den kommenden Monaten diskutiert würde.
EZB-Studie deutet auf 2% bis 3%
Anfang 2024 disktuierten EZB-Ökonomen in einer Studie , wo der natürliche Zins entsprechend verschiedener Konzepte liegen könnte. Dafür verwendet die EZB eine Reihe sogenannter semi-struktureller Modelle und dynamisch-stochastischer allgemeiner Gleichgewichtsmodelle, wobei in Chart 1 nur der Median der Ergebnisse der jeweiligen Modellklasse abgebildet ist. Bisher hat die EZB für die beiden genannten Modellklassen keine Aktualisierung veröffentlicht, weshalb die Ergebnisse nur bis Herbst bzw. Ende 2023 vorliegen. Allerdings sind die Ergebnisse zumindest der semi-strukturellen Modelle im Zeitverlauf recht stabil, weshalb sich das Niveau des geschätzten neutralen Zinses bis zum aktuellen Rand nicht groß verändert haben dürfte.
Gleichzeitig leitet die EZB eine Schätzung des neutralen Zinses aus den Terminmärkten ab. Dabei handelt es sich um die Einschätzung des Marktes über den Ein-Jahres-Zinssatz in neun Jahren. Diese marktbasierte Schätzung anhand von Overnight Index Swaps (OIS) hatte seinerzeit EZB-Ratsmitglied Villeroy als eine annehmbare Approximation für den natürlichen Zins genannt. Zu guter Letzt haben die EZB-Volkswirte Einschätzungen zum natürlichen Zins aus dem Survey of Monetary Analysts (SMA) und Consensus Economics zusammengetragen. Diese beiden Datenreihen konnten wir problemlos auf den neuesten Stand bringen.
Alles in allem deuten die Ergebnisse darauf hin, dass der gleichgewichtige Nominalzins zwischen 2% und 3% liegen dürfte. Wir selbst orientieren uns methodisch an der von Edmund Phelps entwickelten "goldenen Regel der Kapitalakkumulation" und liegen mit unserer Einschätzung des neutralen Zinses am oberen Rand der Bandbreite.
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