Die Fata Morgana der EZB

Die EZB-Ratsmitglieder sind zuversichtlich, dass die Inflation bald nachhaltig auf das 2%-Ziel zurückkehren wird.

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Dr. Marco Wagner

Commerzbank Economic Research

24.01.2025

Ein wichtiges Argument für sie ist die Aussicht auf einen deutlich nachlassenden Lohndruck. Tatsächlich spricht manches für einen geringeren Anstieg der Löhne. Allerdings ist es fraglich, ob die Zuwachsrate der Löhne in der zweiten Jahreshälfte so stark einbrechen wird, wie es der Wage Tracker der EZB anzeigt. Vielmehr dürfte er die Lohnentwicklung aufgrund seiner Konstruktionsweise mit Blick auf das zweite Halbjahr unterschätzen.

EZB auf bestem Wege zu weiteren Zinssenkungen, ...

In der kommenden Woche steht die nächste Zinsentscheidung der EZB an; die Notenbanker geben sich zuversichtlich, dass die Inflationsrate auf absehbare Zeit auf den Zielwert von 2% zurückkehren wird. Dabei setzen sie darauf, dass der Lohndruck und in der Folge die bislang hartnäckig hohe Dienstleistungsinflation nachlässt. So verwies Präsidentin Lagarde bei der Pressekonferenz nach der geldpolitischen Sitzung im Dezember auf Indikatoren, nach denen der Lohnanstieg im Laufe des Jahres 2025 allmählich auf eine Rate sinken wird, die mit dem Inflationsziel von 2% vereinbar ist. Daher ist zu erwarten, dass die Notebanker die Zinsen nicht nur in der kommenden Woche, sondern auch auf den folgenden Sitzungen senken werden. Als Folge dürfte der Einlagensatz der EZB zur Jahresmitte bei 2% liegen, also 100 Basispunkte niedriger als derzeit.

... auch weil ihr Wage Tracker viel geringeren Lohndruck signalisiert

Ein wichtiger Beleg für die bevorstehenden geringeren Lohnzuwächse ist aus Sicht der EZB der experimentelle Wage Tracker, den EZB-Chefvolkswirt Lane vor gut zwei Jahren zum ersten Mal präsentierte und den die EZB von nun an nach jeder geldpolitischen Sitzung im EZB-Datenportal veröffentlichen will. Nach diesem Indikator dürften die Löhne in der ersten Jahreshälfte zwar weiter kräftig zulegen, der Lohnanstieg im zweiten Halbjahr aber spürbar nachlassen, insbesondere wenn man Sonderzahlungen wie den Inflationsausgleich, Boni oder rückwirkend gezahlte Löhne berücksichtigt.

Manches spricht dafür, dass sich Lohnanstieg verlangsamt, ...

Tatsächlich spricht manches dafür, dass der Lohndruck im Verlauf dieses Jahres nachlassen wird. So hat sich die Verhandlungsposition der Gewerkschaften aufgrund der seit geraumer Zeit schwachen Konjunktur verschlechtert. Zudem ist das Argument des "Inflationsausgleichs" wegen der inzwischen deutlich gesunkenen Inflationsrate nicht mehr so durchschlagend wie vor ein oder zwei Jahren.

... aber tatsächlich so stark?

Allerdings ist fraglich, ob sich der Lohnanstieg so stark abschwächen wird, wie es die vorausschauenden Wage Tracker der EZB anzeigen. Schließlich hatte der vorausschauende EZB Wage Tracker auch Anfang 2024 für den späteren Verlauf des Jahres einen deutlich nachlassenden Lohndruck angezeigt. Tatsächlich hat sich damals der Lohndruck sogar noch verstärkt, sodass die Löhne im Durchschnitt des zweiten Halbjahrs 2024 im Endeffekt mehr als einen Prozentpunkt stärker zulegten als vom Wage Tracker zu Beginn des Jahres signalisiert.

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