Comdirect plant Kryptoangebot für Privatkunden
Der Commerzbank-Privatkundenvorstand spricht über seine Strategie im Wettbewerb mit Trade Republic, mehr Personal in den Filialen und größere Übernahmen.
Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung des Handelsblatts
26.09.2025
Herr Schaufler, die Commerzbank-Onlinetochter Comdirect galt mal als Pionier im digitalen Wertpapiergeschäft für Privatkunden. Mittlerweile hat Ihnen der Neobroker Trade Republic, der seine Kundenzahl im vergangenen Jahr auf acht Millionen verdoppelt hat, aber den Rang abgelaufen. Wie konnte das passieren?
Wir haben ein anderes Geschäftsmodell. Erstens ist Comdirect hochprofitabel. Zweitens haben wir sehr leistungsfähige Systeme und sind an viele verschiedene Börsen angeschlossen. So konnten wir auch bei den Marktturbulenzen im April nach den US-Zollankündigungen sicherstellen, dass unsere Kundinnen und Kunden jederzeit handeln konnten. Das ist gerade für diejenigen, die regelmäßig an den Börsen unterwegs sind, sehr wichtig.
Dennoch kann es Sie nicht zufriedenstellen, dass viele junge Menschen lieber ein Konto bei Trade Republic oder anderen Neobrokern eröffnen.
Zunächst einmal: Wir haben bei Comdirect rund 150 Milliarden Euro angelegtes Vermögen. Zudem haben wir seit Jahresbeginn bis Ende August brutto rund eine Viertelmillion neuer Kunden bei der Marke Comdirect gewonnen.
Aber?
Sie haben schon recht: Wir brauchen ein möglichst niedrigschwelliges Angebot. Das haben wir bereits entwickelt und testen es seit dem Sommer im Live-Betrieb. Es richtet sich an junge Kunden, die nicht so oft handeln, aber Interesse an einem digitalen Vermögensaufbau haben. Wir werden hier mehr investieren.
Wie sieht das neue Angebot für diese Kundengruppe aus?
Für die Kunden ist es einfacher, mit dem Kauf und Verkauf von ETFs und anderen Wertpapieren zu beginnen. Zudem arbeiten wir am sogenannten Onboarding-Prozess, um ihn einfacher und schneller zu machen. Wir prüfen auch, ob wir eine schlankere App entwickeln.
Ist der Handel dort auch billiger?
Ja. Vor allem ist es einfacher, übersichtlicher und im Leistungsumfang reduziert. Wenn Menschen beispielsweise ETFs kaufen wollen, können sie das einfach und intuitiv machen. Die Möglichkeit, zwischen einer Vielzahl an verschiedenen Börsenplätzen zu wählen, brauchen sie im Gegensatz zu sehr aktiven Tradern nicht.
Trade Republic und viele andere Banken bieten ihren Privatkunden inzwischen auch an, Bruchstücke von Aktien, sogenannte Teilaktien, und Kryptowährungen zu handeln. Planen Sie das perspektivisch auch?
Wir sind intensiv dabei, ein Angebot für Teilaktien und Kryptowährungen zu entwickeln. Damit bieten wir unseren Kunden künftig eine größere Bandbreite. Aktuell beobachten wir, dass Krypto für viele Menschen eine relevante Anlageklasse wird. Darauf werden wir reagieren.
Ab wann werden Privatkunden bei Ihnen Kryptowährungen handeln können?
Wir arbeiten da mit Hochdruck dran. Ich bin zuversichtlich, dass wir spätestens 2026 ein vernünftiges Kryptoangebot bei Comdirect für Privatkunden haben werden.
Warum nicht bei der Commerzbank selbst?
Kryptowährungen sind etwas für Selbstentscheider, also für Menschen, die selbstständig investieren. Die sind typischerweise Kunden von Comdirect. Bei der Commerzbank setzen wir stärker auf Beratung. Ich kann mir aktuell aber nicht vorstellen, dass wir Kunden den Kauf oder Verkauf von Bitcoins empfehlen. Anders als die Entwicklung von Aktien basiert deren Entwicklung nicht auf fundamentalen Daten - und es gibt auch keine vertrauenswürdigen Analystenempfehlungen, auf die wir uns stützen könnten.
Nicht nur Fintechs wie Trade Republic, sondern auch einige Volksbanken bieten ihren Privatkunden bereits Kryptowährungen an. Warum ist die Commerzbank so spät dran?
Wir waren im November 2023 die erste deutsche Universalbank, die eine Lizenz zur Verwahrung von Krypto-Assets erhalten hat. Darauf aufbauend haben wir uns entschieden, zunächst ein Angebot für institutionelle Anleger zu entwickeln. Zertifikate mit Krypto-Basiswert bietet Comdirect bereits seit 2017 an. Aber es ist richtig, Kryptowährungen haben wir uns länger angeschaut.
Um den Handel mit Kryptowährungen für Privatkunden anbieten zu können, brauchen Sie einen Partner, zum Beispiel die Börse Stuttgart oder Bitpanda. Wie weit sind Sie da?
Wir blicken auf die gesamte Wertschöpfungskette und werden dann entscheiden, welche Teile wir selbst und welche wir mit einem Partner machen.
Lassen Sie uns über andere Neuerungen im Privatkundengeschäft sprechen. Einige Geldhäuser erwägen, besonders aktiven Kunden bessere Angebote zu unterbreiten, zum Beispiel bei Tagesgeldzinsen. Denken Sie darüber auch nach?
Ich will die Loyalität von Kunden stärker belohnen. Fluglinien wie die Lufthansa machen das schon lange. Da sammelt man bei jedem Flug Punkte und kann damit dann später Dinge einkaufen. Wir wollen solche Loyalitätsprogramme auch im Banking einführen.
Wie soll das konkret aussehen?
Wir könnten den Kunden zum Beispiel höhere Zinsen auf Tagesgeld anbieten oder mehrere Gratis-Trades pro Monat, sobald sie fünf Produkte von uns nutzen. Damit würden wir einen Anreiz schaffen, dass Kunden, die bereits drei Produkte bei uns haben, weitere Geschäfte zu uns verlagern, etwa den Wertpapierhandel.
Einen ersten Schritt in diese Richtung ist die Commerzbank bereits gegangen, als sie Anfang des Jahres das kostenlose Girokonto für die meisten Kunden abgeschafft hat. Für Menschen mit einem verwalteten Vermögen ab 50.000 Euro bleibt das Girokonto dagegen kostenfrei. Wie hat Ihre Kundschaft darauf reagiert?
Das angepasste Preismodell ist ein Beispiel, bei dem für Kunden konkret greifbar wird, welche Vorteile es hat, Geschäft bei uns zu bündeln. Viele Kunden haben Mittel von anderen Banken zu uns verschoben, damit sie über die Schwelle von 50.000 Euro kommen und keine Kontogebühren bezahlen müssen. Insgesamt sind dadurch Gelder von mehr als einer Milliarde Euro zu uns geflossen.
Für alle anderen Menschen kostet das Girokonto bei der Commerzbank nun 4,90 Euro im Monat. Wie viele Kunden haben Sie deswegen verloren?
Eine konkrete Zahl möchte ich nicht nennen, weil wir mit der Umstellung noch nicht durch sind. Aber bisher bin ich zufrieden: Die Resonanz zeigt, dass Kunden mit unserem Angebot zufrieden sind und den Preis angemessen finden. Mehr als 50 Prozent haben der Umstellung bereits nach der Erstansprache zugestimmt.
Was machen Sie mit dem Rest?
Alle anderen kontaktieren wir jetzt erneut. Falls sie keine 4,90 Euro für ein Commerzbank-Konto bezahlen wollen, bieten wir ihnen einen Wechsel zu Comdirect an, wo es unter Bedingungen wie einem monatlichen Geldeingang von 700 Euro weiter ein kostenfreies Girokonto gibt.
Gewinnen Sie bei der Commerzbank weniger Neukunden, seit das Girokonto dort etwas kostet?
Die Zahl der Neukunden ist etwas gesunken, aber sie ist nicht so stark zurückgegangen, wie manche es erwartet hatten.
Insgesamt ist die Kundenzahl bei Commerzbank und Comdirect jedoch gesunken. Viele Jahre haben Sie von rund elf Millionen Privatkunden gesprochen, jetzt nur noch von mehr als zehn Millionen. Woran liegt das?
Dafür gibt es neben der Bepreisung des Commerzbank-Girokontos noch zwei weitere Gründe: Wir haben zum einen parallel zur Verkündung der Strategie Momentum die Zählung unseres Kundenstamms umgestellt. Nichtaktive Kunden rechnen wir etwa nicht mehr dazu. Zudem stellen wir die Onvista Bank ein. Viele ihrer rund 300.000 Kunden sind zur Comdirect gewechselt, aber nicht alle.
Seit Juni wirbt die spanische BBVA mit drei Prozent Zinsen auf das Girokonto um deutsche Privatkunden, im zweiten Quartal 2026 startet das größte US-Institut JP Morgan mit seiner Onlinebank Chase. Wie reagieren Sie auf die zunehmende Konkurrenz?
Wir haben mit der Comdirect bereits eine etablierte Marke für Kunden, die Bankgeschäfte digital und selbstbestimmt erledigen. Falls sie bei einzelnen Themen wie einer Baufinanzierung doch mal Unterstützung brauchen, helfen wir ihnen selbstverständlich im Konzern weiter. Damit haben wir im deutschen Markt ein Alleinstellungsmerkmal - und stellen uns selbstbewusst dem Wettbewerb mit alten und neuen Konkurrenten.
Sie haben die Zahl Ihrer Filialen bis 2023 von 1000 auf 400 reduziert. Von diesen müssen allerdings wegen Krankheitsfällen immer wieder einige geschlossen bleiben. Was wollen Sie dagegen unternehmen?
Es darf nicht sein, dass ein Kunde zur Filiale kommt, und diese hat aus irgendwelchen Gründen geschlossen. Deshalb gehen wir die Kapazitätsthemen, die wir an einigen Standorten hatten, schon seit Längerem an. Wir haben darüber hinaus analysiert, wie hoch die Nachfrage nach bestimmten Dienstleistungen an den verschiedenen Standorten ist, und werden auch darauf reagieren.
Was planen Sie konkret?
Wir stärken die Filialen. Pro Standort wird es künftig mindestens vier Leute geben. An allen Standorten können sich Kunden künftig zudem über Baufinanzierungen und Anlagemöglichkeiten beraten lassen. In Filialen, in denen viel Geld abgehoben wird, werden wir weitere zusätzliche Automaten installieren.
Über wie viel zusätzliches Personal sprechen wir?
Insgesamt werden wir rund 125 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zusätzlich in den Filialen einsetzen. Die meisten davon kommen aus anderen Bereichen der Bank, wo wir dank Effizienzmaßnahmen weniger Personal brauchen. An einzelnen Standorten, wo wir intern keine Verstärkung finden, werden wir uns am Markt umschauen.
Wie lange wird die Aufstockung dauern?
Die Anpassungen werden schrittweise umgesetzt. Bis Jahresende sollten wir damit durch sein. Kunden ab einem angelegten Vermögen von 100.000 Euro werden dann auch in ihrer jeweiligen Filiale einen festen Ansprechpartner haben.
Im Rahmen der aktuellen Strategie wollen Sie im Asset-Management und in der Vermögensverwaltung stark wachsen. Reicht Ihr aktuelles Angebot dazu?
Der Ausbau beider Bereiche läuft gut und trägt maßgeblich dazu bei, dass wir unseren Provisionsüberschuss auf Konzernebene wie geplant ausbauen. Mit unserer Angebotspalette bin ich zufrieden. Wir wollen die Assetklasse Private Equity noch ausbauen und prüfen auch Kooperationen im Bereich Venture Capital.
Heißt das, Sie wollen in beiden Bereichen zukaufen?
Bei Venture Capital sehen wir uns nach einem Kooperationspartner um. Bei Private Equity arbeiten wir bereits mit Allianz Global Investors zusammen, und wir prüfen, ob wir das Angebot noch erweitern. Zunächst würden wir dabei wohl einen weiteren Kooperationspartner dazunehmen. Falls die Nachfrage der Kunden nach Private-Equity-Investitionen weiter steigt, würden wir uns hier aber auch nach Zukäufen umsehen.
Wäre ein Kauf von Kundenportfolios jener Banken, die sich aus dem deutschen Privatkundengeschäft zurückziehen, auch interessant?
Wir schauen uns alle Zukaufmöglichkeiten sehr genau an, besonders in den Bereichen Asset-Management und Vermögensverwaltung. Wir sind mittlerweile so gut aufgestellt, dass wir auch größere Übernahmen stemmen und unsere Systeme damit stärker auslasten könnten. Zukäufe müssen allerdings inhaltlich Sinn ergeben, und ihre Integration darf nicht zu komplex sein.
Herr Schaufler, vielen Dank für das Interview.
Die Fragen stellte Andreas Kröner.
Vita
Der Manager Der Österreicher Thomas Schaufler verbrachte fast seine gesamte Karriere bei der Erste Group Bank. Anfang 2021 zog er in den Vorstand ein. Elf Monate später wechselte er zur Commerzbank und ist dort im Vorstand zuständig für Privatkunden und kleinere Unternehmen.
Die Bank Die Commerzbank hat im vergangenen Jahr einen Rekordgewinn von 2,7 Milliarden Euro eingefahren.