"Ich sage oft: Ich habe gelbes Blut"
Unicredit baut ihren Anteil an der Commerzbank aus. Michael Kotzbauer erklärt, warum er den Großaktionär kritisch sieht und wieso er selbst so an der Commerzbank hängt.
Süddeutsche Zeitung
08.09.2025
Zusammenfassung:
- Michael Kotzbauer, Vorstandsmitglied der Commerzbank, äußert Bedenken über Unicredit als Großaktionär, da dies zu Interessenkonflikten führen kann, während er die Strategie und Eigenständigkeit der Commerzbank betont.
- Kotzbauer berichtet, dass die Commerzbank in den letzten Jahren eine erfolgreiche Restrukturierung durchlaufen hat und nun in einer stärkeren Position ist, was sich an ihrem Aktienkurs zeigt.
- Er betont, dass die Kundenloyalität und langjährige Beziehungen entscheidend für das Wachstum der Commerzbank sind, trotz politischer Unsicherheiten und steigender Insolvenzraten.
- Kotzbauer hebt die Bedeutung von privatem Kapital für die Transformation Deutschlands hervor und fordert einen beschleunigten Bürokratieabbau, um Investitionen im Mittelstand zu erleichtern.
Herr Kotzbauer, Sie sind ein erfahrener Firmenkundenbanker, was raten Sie einem Kunden, der sich gegen eine feindliche Übernahme wehren will?
Wichtig ist, sich nicht verrückt machen zu lassen, sondern konsequent auf die eigene Strategie zu setzen. Das Unternehmen sollte sich auf sein Geschäft konzentrieren und Wert für alle seine Stakeholder schaffen – Kunden, Aktionäre, Mitarbeitende. Ich habe kürzlich einen Kunden besucht, der genau diesen Weg gegangen ist, als ein Investor seinen Anteil erhöhen wollte, um Druck auf das Management auszuüben. Am Ende ließ dieser Investor seine Pläne wieder fallen, weil er neues Vertrauen in die Geschäftsentwicklung gewonnen hatte. Gute Investoren sehen den Erfolg des Unternehmens auch als ihren eigenen Erfolg. Das ist auch der Weg, den wir als Commerzbank gehen.
Würden Sie es also auch okay finden, wenn Unicredit dauerhaft Großaktionär der Commerzbank bliebe?
Unser größter Aktionär hat nun offensichtlich anerkannt, dass der Erfolg der Commerzbank auch in seinem Interesse liegt. Die Situation ist dennoch nicht ideal. Unicredit hat augenscheinlich ein ureigenes Interesse an einem niedrigeren Aktienkurs der Commerzbank, wenn sie weiterhin ihr Ziel der Übernahme verfolgt – sehr zum Nachteil der verbleibenden Aktionäre der Bank und anderer Stakeholder. Darüber hinaus ist Unicredit über die Hypovereinsbank ein direkter Wettbewerber der Commerzbank in Deutschland. Daraus ergeben sich mehrere offensichtliche Interessenkonflikte. Natürlich begrüßen der Vorstand und auch der Aufsichtsrat der Commerzbank einen offenen und fairen Dialog mit allen Aktionären und schätzen konstruktive Beiträge zur Wertsteigerung. Allerdings sollte sich die Unicredit wie jeder Aktionär im Interesse des Unternehmens und aller anderen Aktionäre verhalten.
Man hatte zuletzt den Eindruck, erst der Druck von Unicredit hat für diese Wertsteigerung bei der Commerzbank gesorgt – oder nicht?
Die Jahre 2010 bis 2020 waren für die Commerzbank schwierig. Mit der "Strategie 2024" haben wir dann aber ab 2021 die harte Restrukturierung umgesetzt – das war der Wendepunkt, im Übrigen aus eigener Kraft, der diese Entwicklung eingeleitet hat. Heute können wir mit einigem Stolz sagen: Wir liefern, was wir versprechen. Und wir versprechen nur das, was wir auch liefern können. Das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit und schafft Vertrauen bei all unseren Stakeholdern.
Ja, aber – Verzeihung – es brauchte doch den Tritt in den Hintern, oder?
Natürlich bringt ein externer Anstoß immer auch neue Impulse. Aber vergleichen Sie die Bank von 2020 mit der von 2024 – das sind zwei völlig unterschiedliche Institute. Wir haben unsere Ertragskraft gesteigert, Hausaufgaben gemacht und sind heute deutlich attraktiver: für Kunden, für Mitarbeiter und eben auch für Investoren. Dass wir dadurch als börsennotiertes Unternehmen auch Interesse von Wettbewerbern auf uns ziehen, ist logisch.
Unicredit hält inzwischen knapp 29 Prozent und könnte den übrigen Aktionären jederzeit ein Übernahmeangebot machen. Hat die Commerzbank noch eine Chance, selbständig zu bleiben?
Wir konzentrieren uns auf uns selbst und lassen uns nicht ablenken, denn wir haben ehrgeizige Pläne. Sollte irgendwann ein Angebot vorliegen, würden wir uns das im Vorstand selbstverständlich anschauen und bewerten. Unsere Kunden sagen im Moment aber sehr klar: Eine eigenständige Commerzbank ist die bessere Lösung. Auch der Bund ist mit zwölf Prozent beteiligt und positioniert sich eindeutig gegen eine Übernahme. Entscheidend ist doch, dass unsere Strategie am Kapitalmarkt überzeugt: Analysten und Investoren sind zufrieden mit dem Weg, den wir gehen. Das sieht man auch sehr klar an unserem Aktienkurs.
Die Unicredit-Aktien sind ebenfalls stark gestiegen. Macht das eine Übernahme nicht doch wahrscheinlicher?
Beide Aktien haben zugelegt, ja, aber die Aktie der Commerzbank in den vergangenen zwölf Monaten deutlich stärker als die von der Unicredit. Wichtiger als der tägliche Kurs sind für mich die Kursziele der Analysten, und die sind bei uns in den vergangenen Quartalen kontinuierlich gestiegen und liegen im Durchschnitt über 30 Euro. Das zeigt, dass sie daran glauben, dass wir unseren Plan umsetzen können.
Sie sind seit 1990 bei der Bank, das ist wirklich unglaublich lang. Was ist heute anders als damals?
Ich sage oft: Ich habe gelbes Blut. Die Commerzbank ist die berufliche Liebe meines Lebens. Natürlich gab es schwierige Phasen, etwa in den 90er-Jahren, damals übrigens auch mit Großaktionären, die uns feindlich übernehmen wollten. Oder später, nachdem die Commerzbank die Dresdner Bank übernommen hatte und der Bund in der Finanzkrise eingestiegen ist. Das war eine Zeit, als die Bank zu sehr mit sich selbst beschäftigt war, vor allem durch die anschließende Integration der Dresdner Bank. Das hat enorme Kräfte gebunden und den Blick nach außen getrübt. Investitionen in die Modernisierung wurden verschoben, Kundenbeziehungen litten. Diese Phase war der Ausgangspunkt unserer Schwäche. Danach begann eine harte Zeit. Aber die "Strategie 2024" war ein notwendiger Neustart. Der Abbau von 9800 Stellen war dann auch die härteste Entscheidung meiner Laufbahn, es geht um Menschen und Familien, nicht um Zahlen in Excel-Tabellen.
Spüren Sie heute, dass die Situation Ihr Neugeschäft belastet? Weil die Kunden fragen, ob die Commerzbank bald der Unicredit gehört?
Unsere Kunden sind sehr loyal, denn wir sind es auch mit ihnen. Sie schätzen unsere Strategie und dass wir auch in schwierigen Zeiten an ihrer Seite stehen. Viele Beziehungen bestehen seit Jahrzehnten, manche seit mehr als hundert Jahren.
Einige Mittelständler haben sich öffentlich für die Commerzbank starkgemacht – etwa der Chef von Herrenknecht oder Tui-Chef Sebastian Ebel. Wünschen Sie sich, dass sich die Mittelständler auch an der Commerzbank beteiligen? Oder geht die Liebe nicht so weit?
Zunächst einmal ist es ein starkes Signal, wenn Kunden sich so klar äußern. Das werten wir als Bestätigung unseres Kurses. Wenn sich daraus konkrete Beteiligungen ergeben, ist dies auch ein Zeichen. Für uns steht aber im Vordergrund, unsere Strategie umzusetzen.
Die Commerzbank ist zuletzt im Firmengeschäft überraschend stark gewachsen, obwohl die Nachfrage noch nicht richtig angezogen hat. Setzen Sie auf Kampf-Konditionen?
Nein. Sie sprechen das deutliche Kreditwachstum an. Grundlage dafür sind unsere langjährigen, vertrauensvollen Kundenbeziehungen. Wir sind früh in strategische Entscheidungen eingebunden und verstehen uns als Partner. Zugleich haben wir unser Produktangebot sehr direkt auf den Mittelstand ausgerichtet. Was wir anbieten, wollen wir exzellent anbieten. So entsteht Wachstum, auch international: Wir sind in den USA und Südostasien gut unterwegs, in einer zunehmend fragmentierten Welt, aber immer als Brücke zwischen den Heimatmärkten Deutschland, Österreich, Schweiz und Polen und den globalen Standorten.
Und wie wirkt sich die politische Unsicherheit in den USA aus, also konkret die Erosion des Rechtsstaates dort und die Zunahme von staatlicher Willkür?
Das beobachten unsere Kunden genau. So etwas wie der kurzfristige Stopp des Offshore-Windparks "Empire Wind" vor New York hat große Irritationen ausgelöst. Investoren reagieren sensibel, werden vorsichtiger. Aber zugleich werden Investitionen in den USA weiterhin gefördert. Außerdem sehen wir jetzt ein wachsendes Interesse von US-Investoren an Europa. Für sie ist auch die Commerzbank attraktiv, weil wir im Mittelstand verankert sind und von den neuen Investitionsprogrammen für Infrastruktur und Verteidigung profitieren können.
Erleben Sie Ihre Kundengespräche derzeit eher pessimistisch oder chancenorientiert? Man sieht ja, dass die Insolvenzraten steigen.
Ganz klar chancenorientiert. Viele Unternehmen haben in den letzten Jahren ihre Hausaufgaben gemacht, Kosten gesenkt, Prozesse verbessert, auch durch Corona. Jetzt schauen sie, wie sie diese Stärke nutzen können, auch durch Zukäufe. Da ist einiges geplant. Das zeigt: Wer vorbereitet ist, sieht in der aktuellen Lage eher Möglichkeiten als Bedrohungen.
Die Commerzbank ist auch Teil der „Made for Germany“-Initiative, die kürzlich im Kanzleramt vorstellig wurde. Worin besteht eigentlich Ihr Beitrag?
"Made for Germany" ist ein starkes Signal der Wirtschaft: Wir zeigen, dass wir an Deutschland glauben und das Land gemeinsam voranbringen wollen. Für die Commerzbank bedeutet das, unsere Kunden aktiv bei ihren Projekten zu unterstützen, auch unter Unsicherheit. Wir ermöglichen unseren Kunden, gezielt in Infrastruktur, erneuerbare Energie, Speicher- und Wasserstofftechnologien zu investieren und gehen bewusst Risiken ein, weil wir an ein modernes, stabiles Deutschland glauben.
Nun ja, das ist Ihr Kerngeschäft...
Sicherlich, aber die Initiative besteht aus Unternehmen, die stark in Deutschland verwurzelt sind. Wir wollen ein Signal setzen, dass wir dieses Land voranbringen wollen. Deutschland muss schneller handeln und sich bewegen – als drittgrößte Volkswirtschaft der Welt haben wir Verantwortung.
Unter den Initiatoren sind US-Finanzinvestoren wie Blackstone oder KKR, explizite Trump-Unterstützer, der wiederum Deutschland erklärtermaßen hasst. Und diese Leute wollen jetzt Deutschland voranbringen?
Entscheidend ist, dass private Investitionen die Transformation Deutschlands unterstützen. Wir haben immensen Investitionsbedarf und brauchen dafür auch unbedingt privates, internationales Kapital.
Natürlich, aber wir haben schmerzlich erfahren, dass wir uns zum Beispiel in der Energieversorgung nicht von Ländern abhängig machen sollten, die uns feindlich gesinnt sind. Wollen wir auch kritische Infrastruktur in Händen solcher Investoren wissen?
Hier muss man klar unterscheiden: Kerninfrastruktur muss kontrollierbar bleiben, andere Bereiche können breiter geöffnet werden. Die Analyse, was kritisch ist und was nicht, ist entscheidend, das gilt nicht nur für Deutschland, sondern international.
Der Mittelstand kommt allerdings bei Investitionen nicht aus dem Quark, wie die neuesten Zahlen zeigen. Was ist zu tun?
Wir brauchen Geschwindigkeit und entschiedenen Bürokratieabbau – von Genehmigungen bis Reporting. Mittelständler warten darauf, dass konkrete, praktische Schritte ihr Leben erleichtern.
Brauchen wir dazu eine "Kettensäge"?
Nicht unbedingt eine Kettensäge, aber es braucht einen klaren Fahrplan, ehrliche Zustandsbeschreibungen und konsequentes Handeln. Es ist klar, dass wir dringende Investitionen in die Infrastruktur brauchen.
Ist das die Quittung für jahrelanges Unterinvestieren und die Schuldenbremsen-Ideologie?
Es wurde in jedem Fall zu wenig in Straßen, Brücken, Wasserwege und Energienetze investiert. Jetzt muss zielgerichtet investiert werden, auch mit Schulden.
Wann kommen diese Ausgabenprogramme in der Breite an?
Effekte werden wir ab 2026 spüren. Vorausgesetzt, Bürokratieabbau und Beschleunigung von Genehmigungen werden umgesetzt, damit Investitionen schneller realisiert werden können. Ich bin da sehr optimistisch.
Das Interview wurde veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung der Süddeutsche Zeitung.