Rüstungsboom erfasst die deutsche Industrie

Trumpf steigt in die Lasertechnik zur Drohnenabwehr ein

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Michael Rasch

Der Beitrag erschien zuerst in der Neuen Zürcher Zeitung am 11.08.2025

20.08.2025

Fliegende Drohne am Abendhimmel bei Sonnenuntergang
© Adobe Stock, IgorZh
Der russische Überfall auf die Ukraine hat bei vielen deutschen Unternehmen für ein Umdenken gesorgt. Über Jahrzehnte war der Rüstungssektor ein Tabu, nicht zuletzt bei Familienfirmen. Inzwischen ändert sich die Sichtweise auf die Rüstungsbranche. Dabei machen es sich viele Unternehmen nicht leicht. Das gilt beispielsweise für den Maschinenbau- und Laserspezialisten Trumpf. Lange wurde dort über den Einsatz der Lasertechnologie im militärischen Bereich nachgedacht. Nun gibt es ein Ergebnis.

"Es hat nach intensiven Diskussionen eine Entscheidung der Unternehmerfamilie und des Unternehmens gegeben, unsere Technologie für defensive Verteidigungslösungen zur Verfügung zu stellen", sagte ein Sprecher von Trumpf diese Woche gegenüber der NZZ. Dabei gehe es explizit um "nicht gegen den Menschen gerichtete Anwendungen". Trumpf könne Systeme zur Drohnenabwehr auf Laserbasis herstellen, die es so bisher nicht gebe. Wer nun an die verschiedenen Phaser-Strahlenwaffen aus der Serie "Raumschiff Enterprise" denkt, liegt jedoch falsch. Die Technologie steht im Rüstungsbereich erst am Anfang. "Der Laser ist keine Allzweckwaffe für alle Distanzen", erklärt der Trumpf-Sprecher weiter.

Militärischer Partner gesucht

Bisher bietet das Unternehmen zwar Lasertechnologien für vielfältige Gebiete an, von der Belichtung von Halbleitern bis zum Schneiden von Blechen. Doch für die Anwendung zur Drohnenabwehr braucht Trumpf einen militärischen Partner, etwa für die Zielerfassung. Anfragen dazu aus Europa und Israel sollen dem Vernehmen nach schon vorliegen.

Bereits Anfang des Jahres hatte Trumpf-Chefin Nicola Leibinger-Kammüller nach ersten Berichten über einen möglichen Einstieg in den Verteidigungssektor die Überlegungen bestätigt. An den Diskussionen seien auch die Kinder als die nächste Generation der Familie beteiligt. "Das ist keine Zeitenwende der Werte, sondern die Evolution unserer gesellschaftlichen Verantwortung", betonte Leibinger-Kammüller zudem. Für den Einstieg ins Rüstungsgeschäft müsste die Firma jedoch noch den Gesellschaftervertrag ändern, der das bisher ausschliesst.

Inzwischen haben eine Reihe von Unternehmen ähnliche Veränderungen in ihrer Strategie vorgenommen. So hatte beispielsweise der Motorenhersteller Deutz im Sommer 2024 angekündigt, neben seinen zivilen Aktivitäten auch Panzermotoren bauen zu wollen. Daraufhin war der Aktienkurs um mehr als 20 Prozent gestiegen.

Das Kölner Unternehmen sieht den Rüstungssektor inzwischen als strategische Wachstumschance. "Rüstung und Verteidigung rücken in die Mitte der Industrie. Das ist gut so", sagte der Firmenchef Sebastian C. Schulte dazu. "Ein verteidigungsfähiges Deutschland und Europa brauchen eine starke industrielle Basis. Hier kann und wird Deutz in Zukunft noch mehr beitragen."

Das Unternehmen bündelt seine Technologien und sein Portfolio in einem neu geschaffenen Geschäftsbereich "Defense", um den Markt strategisch zu erschliessen. Wachstum erwägt Schulte auch durch Zukäufe. Deutz produziert Motoren für kleine und mittlere Militärfahrzeuge, vor allem Schützenpanzer und Truppentransporter sowie Generatoren. Die Produktion von grossen Motoren für schwere Kampfpanzer ist derzeit nicht vorgesehen.

Auch der Stahlkonzern Salzgitter will in das Geschäft mit der Bundeswehr einsteigen. Im Juli teilte das Unternehmen mit, dass seine Tochtergesellschaft Ilsenburger Grobblech die Zulassung der Stahlsorte «Secure 500» durch die Bundeswehr erhalten habe.

Damit ist die entsprechende Stahlqualität offiziell für den Einsatz beim Militär freigegeben, beispielsweise in Fahrzeugen oder in Schutzsystemen. Die Zulassung dauerte fast zwei Jahre.

Mit dem Ausbau des Portfolios reagiert Salzgitter nach eigenen Angaben auf den steigenden Bedarf im Sicherheits- und Verteidigungssektor. Salzgitter befindet sich bereits im Zulassungsprozess für weitere Stahlsorten und will nach der abschliessenden Beurteilung durch die Bundeswehr die komplette Secure-Produktfamilie für militärische Anwendungen anbieten können.

Die neue Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD und die EU haben Hunderte Milliarden Euro für den Verteidigungssektor in den kommenden Jahren in Aussicht gestellt. Die über Jahrzehnte vernachlässigte Bundeswehr ist zudem durch die Zeitenwende viel stärker gefordert, auch im Ausland. In Litauen baut Deutschland beispielsweise eine Kampfpanzer-Brigade auf, und diese Woche wurde bekannt, dass die Luftwaffe für mehrere Wochen fünf Eurofighter-Kampfflugzeuge mit 150 Soldaten nach Polen verlegt.

Auch Finanzinstitute stellen sich auf den zunehmenden Sinneswandel bei vielen Unternehmen ein. Die Commerzbank hat beispielsweise spezialisierte Defence-Experten in ihren nach Branchen aufgeteilten Sektor-Teams. In der Vergangenheit hatten manche Unternehmen über Finanzierungsprobleme geklagt, weil der Rüstungssektor nicht den Nachhaltigkeitsvorstellungen einiger Banken bei den Themen Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung entsprach.

"Die grossen kapitalmarktfinanzierten Rüstungskonzerne haben keine Finanzierungsprobleme, weil sie neue Aktien oder Anleihen ausgeben können, sie Investitionen aus dem Cash-Flow tätigen können und staatliche Kunden in aller Regel Anzahlungen leisten", sagte Alexander Mann, Leiter Industrials bei der Commerzbank. Sie würden für klassische Kredite heute fast keine Banken benötigen, zumal die grossen staatlichen Aufträge in Europa noch anstünden.

Chance für die Autoindustrie

Finanzierungsprobleme könne es eher bei kleineren Zulieferern geben, die bisher nur einen Bruchteil ihres Umsatzes mit der Rüstungsindustrie erzielt haben, nun die Produktion jedoch sehr stark hochfahren sollten. Allerdings kämen die Aufträge bei den Mittelständlern erst nach und nach an, ergänzt Mann. Viele der betreffenden Firmen würden sich derzeit noch primär ausserhalb der Rüstungsbranche bewegen.

Zu den kleineren Firmen, die sich für militärische Anwendungen öffnen wollen, gehört laut Branchenkreisen Helrom Trailer Rail. Helrom ist eine Schienengüterverkehrs- und Technologiefirma. Sie ermöglicht Kunden mit einer patentierten Technologie den barrierefreien Wechsel zwischen Strasse und Schiene ohne hohe Investitionen in Verladeterminals. Mit der Technologie könnte man jedoch auch Panzer und Militärfahrzeuge auf offener Strecke von Eisenbahnwaggons abladen. Laut Medienberichten prüfen noch etliche weitere Unternehmen neue Projekte mit Bezug zum Militärsektor, etwa der Maschinenbauer Hawe Hydraulik, der Textil­Spezialist Freudenberg und die Automobilzulieferer Brose, Dürr, Jopp und Schaeffler. VW arbeitet im Bereich Lastwagen ohnehin bereits über die Tochter MAN mit der Bundeswehr zusammen.

Der Aufschwung des Verteidigungssektors kommt auch den Beschäftigten in der kriselnden Autobranche zugute, in der in den vergangenen Quartalen der Abbau von Zehntausenden Arbeitsplätzen angekündigt wurde. Das ist eine Chance für Rüstungsunternehmen wie Rheinmetall, KNDS, Hensoldt und für viele der neuen Spieler in der Branche, die fast alle qualifizierte Mitarbeiter suchen. Die Zeitenwende verändert also auch Teile der deutschen Wirtschaft. In einigen Jahren wird sich die Industrie neu strukturiert haben.

Der Artikel wurde veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung der Neuen Zürcher Zeitung.