Marktführerschaft im Mittelstand als Eintrittskarte ins UHNWI-Geschäft
Im Interview mit dem Private Banking Magazin sprechen Sebastian Ahlhorn und Ersin Soykandar über den Ausbau des UHNWI- und Family-Office-Geschäfts mit hochvermögenden Kunden.
Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung des Private Banking Magazin
06.05.2025
Private Banking Magazin: Im Herbst vergangenen Jahres haben Sie das UHNWI-Geschäft in einem neuen Bereich gebündelt. Warum braucht es den?
Sebastian Ahlhorn: Die Überlegung, das UHNWI- und Family-Office-Geschäft weiter auszubauen, gab es in der Commerzbank schon länger und basiert auf unserem starken Wachstum der vergangenen Jahre. Wir haben ab Oktober 2024 die relevanten Kompetenzen und Abteilungen in einem eigenständigen Unternehmensbereich gebündelt. Darin haben wir bereits bestehende Abteilungen aggregiert und neu ausgerichtet sowie neue Teams entlang der Wertschöpfungskette – zum Beispiel ein Großkunden-Kreditteam für Privatkunden – aufgebaut. Modulare Multi-FamilyOffice-Dienstleistungen innerhalb einer Universalbank mit globalen Zugängen: Das war und ist der Grundgedanke.
Was hat sich für die Kunden konkret verändert?
Ahlhorn: Für unsere Mandanten erbringt die Einheit eine noch spezialisiertere Beratung im Rahmen eines ganzheitlichen 360-Grad-Modells. Wir können auf das globale Leistungsspektrum der Commerzbank zugreifen – etwa auf die Mittelstandsbank oder den Capital-Markets-Bereich – und arbeiten mit für den Mandanten individuell zusammengestellten Taskforces, die durch neue Prozesse innerhalb eines Tages aufgesetzt sind. Unsere Mandanten wollen Entscheidungen am Tisch treffen und nicht erst nach dem Beratungsgespräch mit Zeitverzug ein Angebot erhalten. Deshalb bringen wir bereits im Vorfeld eines Mandantentermins die jeweiligen Generalisten und Spezialisten der Bank zusammen, um mit voller Expertise unmittelbar beraten zu können.
Wurden Kunden im Zuge der Strategie auf neue Berater umgeschlüsselt? In Hamburg und Stuttgart wurden schließlich auch zwei neue UHNWI-Standorte eröffnet.
Ersin Soykandar: Wir arbeiten an sechs UHNWI-Standorten – dazu zählen noch Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main und München. Wir vernetzen uns mit den jeweiligen Beratern aus dem Wealth Management oder dem Firmenkundenbereich vor Ort und gehen gemeinsam zum Mandanten raus. Heißt: Die bestehenden Mandantenbeziehungen wurden erhalten. Wo es sinnvoll war, haben wir jedoch gezielt Experten mit spezifischer Erfahrung und langjähriger Kompetenz hinzugezogen, um den gewachsenen Anforderungen noch besser gerecht zu werden.
Ahlhorn: Viele Unternehmer und Unternehmerfamilien wollen einen regionalen Ansprechpartner haben. Für die komplexen, bereichsübergreifenden Anlagethemen und Family-Office-Dienstleistungen werden wir hinzugezogen. Letztendlich entscheidet immer der Mandant. Im Süden haben wir beispielweise den Fall, dass sich eine Wealth-Management-Beraterin zur UHNWIBeraterin entwickelt hat. Sie betreut weiter einen Teil der Familienverbünde, die sie zuvor schon beraten hat. Es gibt also auch Fälle, in denen die Betreuung je nach Bedarf ausschließlich durch uns stattfindet.
Wie groß ist Ihr UHNWI-Beraterteam?
Ahlhorn: Wir sind derzeit mehr als 50 Mitarbeiter und planen weiteres Wachstum. Durch eine unternehmerisch geprägte Struktur – jede Person in unseren Teams hat die Verantwortung für spezifische Themen und Projekte – und unsere im Bankenvergleich kurzen Entscheidungswege bekommen Mandanten auf sämtliche Fragestellungen innerhalb kürzester Zeit eine belastbare Antwort. Die neue Architektur im Wealth Management unter der Leitung von Bereichsvorstand Christian Hassel fördert dieses Mindset zusätzlich.
Sie sprechen die neue Struktur des Privatkundengeschäfts an. Die Einstiegsgrenzen werden im Private Banking auf 250.000 Euro und im Wealth Management auf 2 Millionen Euro angehoben. Wann werden Kunden denn bei Ihnen betreut?
Ahlhorn: Im Grundsatz starten wir bei 30 Millionen Euro investierbarem Vermögen. Ein Großteil der Investmentopportunitäten, die wir vorstellen – das umfasst auch Direktbeteiligungen, CoInvestments – aber auch Dienstleistungen sind auf dieses Größencluster angelegt. Unsere Erfahrung hat aber gezeigt, dass es in Einzelfällen für Mandanten und Bank zielführend sein kann, darunter anzusetzen. Beispiel: Ein Start-up-Unternehmer nach einem Exit, bei dem nicht sofort 100 Millionen Euro geflossen sind, sondern 10 oder 15 Millionen Euro. Oder bei Mandanten, die die Commerzbank als einen Vermögensverwalter neben anderen haben und bei denen wir den von uns verwalteten Anteil am Gesamtvermögen erhöhen wollen.
Gibt es durch die neue Organisation auch Dienstleistungen, die Wealth-Management-Kunden nicht mehr zur Verfügung stehen, wohl aber Ihren UHNW-Kunden?
Soykandar: Unsere Beratungsdienstleistungen stehen grundsätzlich allen Kunden offen. Wir haben jedoch auch Produkte und Dienstleistungen – beispielsweise Private-Markets-Konzepte – die erst bei höheren Summen sinnvoll sind. Wir gewinnen derzeit monatlich neue Produkte und Dienstleistungen durch Eigenentwicklungen oder strategische Partnerschaften hinzu. Entscheidend: Es muss in eine strategische Asset Allocation und letztendlich zu unserem Ziel passen, die Mandanten gemeinsam zu entwickeln.
In der liquiden Vermögensverwaltung haben Sie mit Yellowfin eine Asset-ManagementTochter im Haus, die sich explizit auch an hochvermögende Privatkunden wendet. Wie läuft die Zusammenarbeit ab?
Ahlhorn: Die Bank setzt im Asset und Wealth Management neben der eigenen, sehr erfolgreichen Vermögensverwaltung auf ein modulares Multi-Boutique-Modell: Ob Yellowfin, Aquila Capital für Investments in Erneuerbare Energien und nachhaltige Infrastrukturprojekte oder Commerz Real – wir können für alle relevanten Assetklassen interne Konzern- und Boutique-Lösungen bieten und bedarfsweise weitere Lösungen durch unsere zahlreichen Kooperationspartner darstellen. Wir als UHNWI & FO agieren dabei als Intermediär. Der Mandant entscheidet, welche Lösung final gewählt wird. Klar ist: Unsere Boutiquen müssen sich im Benchmark-Vergleich beweisen.
Neben Ihrem Haus kündigten unter anderem auch die Deutsche Bank, Hypovereinsbank und Merck Finck im vergangenen Jahr UHNWI-Strategien an. Woher kommt der offenbar große Appetit auf das Geschäft mit Hochvermögenden? Ist es die einfache Rechnung: hohe Vermögen gleich hohe Margen?
Soykandar: Die Ansprüche der Mandanten werden zunehmend komplexer: Wir erleben derzeit viele Vermögensübergänge und Unternehmensverkäufe. Die nächste Generation möchte nachhaltig investieren. UHNWIs haben zunehmend internationale Beteiligungen, Vermögenscontrolling soll nicht mehr nur die liquiden Vermögenswerte, sondern die gesamte Vermögensallokation umfassen. Einige Banken erkennen das, und stellen sich neu auf, um die entstehenden Beratungsbedürfnisse zu erfüllen.
Wie kann man sich in diesem Segment differenzieren? Das Komplettpaket schreiben sich im UHNWI-Geschäft alle Anbieter auf die Fahne.
Ahlhorn: Über einige Punkte unseres Angebotes haben wir schon gesprochen. Ich denke, die größte Herausforderung der meisten unserer Wettbewerber ist, das Vertrauen der Mandanten zu gewinnen und dann auch langfristig zu erhalten. Die Commerzbank ist seit mehreren Jahrzehnten Partner des deutschen Mittelstandes. Unsere Marktführerschaft im Mittelstand in Deutschland ist im Idealfall auch Trumpf, aber mindestens Eintrittskarte im UHNWI-Geschäft. Darüber hinaus sind wir bereit, auch große Immobilien- oder Infrastrukturgeschäfte zu finanzieren. Das macht uns für die Zielgruppe zusätzlich attraktiv.
Die Commerzbank hat in ihrer Strategie bis 2028 ehrgeizige Wachstums- und Renditeziele formuliert. Wie wollen Sie ihren Teil dazu beitragen?
Ahlhorn: Wir werden in diesem Jahr unser ganzheitliches Beratungsmodell ausbauen. Neben dem Ausbau unseres Kreditbuchs für Hochvermögende, stehen Spezialprodukte im Bereich Privatmarktanlagen dabei im Vordergrund. Wir saßen bereits als Investoren auf der anderen Seite des Tisches und wissen, dass Standard nur selten zum Ziel führt – ein Fokus auf den Small- und Mid-Cap-Bereich oder spezialisierte Nischenanbieter hat nicht jeder im Angebot. Auf der Dienstleistungsseite konzentrieren wir uns auf das Thema Generationenübergang und Sicherheit. Wie schütze ich meine Familie und den Besitz? Wie kann ich die nächste Generation an das Vermögen heranführen? Stichwort Family Governance. Für uns ist es Verpflichtung und Passion zugleich, unsere Mandanten durch gemeinsame Events und Masterclasses untereinander zu vernetzen. Das gilt übrigens auch für den Zugang zu einem exklusiven Netzwerk von Dienstleistern wie Notaren, Anwälten, aber auch Experten im Bereich Health Care.
Heißt alles in allem: Berater im UHNWI-Segment brauchen viel breitere Kompetenzen.
Soykandar: Das ist so. Wir müssen über das Finanzvermögen hinausdenken. Ich hatte kürzlich ein Gespräch mit einem Unternehmer nach einem Unternehmensverkauf. Der sagte: „Ich habe Angst. Überall steht in der Presse, wie viel Geld ich bekommen habe.“ In diesem Fall war das Thema Schutz der Familie und Privatsphäre für den Mandanten viel wichtiger als die Frage, wie er das Geld anlegt. Auch hier müssen wir die Personen ganzheitlich abholen.
Vermögensübergänge oder Generationswechsel sind im Mittelstand an der Tagesordnung. Was bedeutet das für Ihre Einheit?
Ahlhorn: Wir positionieren uns als das Family Office für den Mittelstand und unsere Mandanten erwarten, dass wir sowohl die unternehmerische als auch die private Sphäre verstehen. Wir adressieren das Thema Nachfolge mit der Spezialabteilung „Multi Family Office“. Darunter sind Stiftungsmanager, Testamentsvollstrecker, Wealth Planner und Nachfolgeexperten. Viele Banken haben beispielsweise die Stiftungsgründung an Wirtschaftskanzleien ausgelagert. Wir selbst haben Juristen bei uns im Haus, die diese Familien über viele Jahre begleiten. Wir können die Beratung um Themen wie zum Beispiel Family Governance, Controlling & Reporting, Impact Investing oder Philanthropieberatung erweitern.
Beratungsthemen, die aber auch Multi Family Offices abdecken. Sie waren beide zuletzt für Finvia tätig. Was haben Sie als Großbank Family Offices und unabhängigen Vermögensverwaltungen voraus?
Soykandar: In einem Family Office konnten wir nur eine 180-Grad-Beratung bieten. Die anderen 180 Grad – das klassische Bankgeschäft von der Kontoeröffnung über den Zahlungsverkehr bis hin zum wichtigen Thema Finanzierung – haben gefehlt. Für eine komplette Betreuung braucht es immer auch Banken. Dass wir Mandanten sowohl auf der Aktiv- als auch Passivseite nahtlos betreuen können, ist der wesentliche Vorteil.
Ahlhorn: Ein weiterer Punkt ist der Zugang zu beschränkten Privatmarktanlagen. Wenn wir bei großen Private-Equity- und Wagniskapitalfonds als Commerzbank anklopfen, geht es meist direkt um eine strategische Kooperation, inklusive Konditionsvorteilen für unsere Mandanten. Auch bei Adressen, in die gerade kleinere Multi oder Single Family Offices niemals investieren könnten.
Andersherum: Unabhängigkeit erwarten aufgeklärte Hochvermögende oder Single Family Offices bei Ihnen sicher nicht, oder?
Ahlhorn: Unabhängigkeit steht im Spannungsfeld mit dem Margendruck, den viele Multi Family Offices haben. Insbesondere kleinere Anbieter sind oft nicht in der Lage, ausreichend eigene Konzepte zu lancieren, dass es für eine vernünftige Diversifikation funktioniert. Sprich: Sie müssen – und wenn es White-Label-Produkte sind – mit ausgewählten Banken und Fondsinitiatoren zusammenarbeiten. Dabei entsteht ebenfalls ein gewisses Bias, das man nicht wegdiskutieren kann. Es gibt viele Family Offices, die machen das transparent gegenüber ihren Mandanten – es gibt aber auch solche, die das nicht oder nur unzureichend tun.
Soykandar: Wir arbeiten mit ausgewählten Multi Family Offices zusammen und es gibt neben uns andere Banken, die interessante Konzepte haben. Ein Beispiel: Wir haben ein Investment für ein großes Infrastrukturprojekt im Bereich KI, stellen das einem Multi Family Office vor, das wiederum genau zu diesem Investmentthema eine Nachfrage seiner Mandanten erfährt. Wenn das Family Office in so einem Fall seinen Mandanten unser Konzept oder das einer anderen Bank vermittelt, stellt das nicht dessen Unabhängigkeit in Frage. Es ist alles eine Frage von Struktur und uneingeschränkter Transparenz.
In der Vergangenheit hat die Commerzbank mal das Private Banking gestärkt, dann wieder die Einstiegsgrenzen angehoben, Standorte geschlossen, jetzt wieder eröffnet. Wie langfristig ist die Aufstellung, die Sie jetzt haben?
Ahlhorn: Die aktuelle Anpassung ist schlicht das Ergebnis des starken Wachstums der Bank im Premiumsegment in den vergangenen Jahren und wenn die daraus folgende Konsequenz, die Eröffnung neuer Standorte ist, dann freut uns das sehr und ist in gewisser Weise auch Lohn für unsere Arbeit. Darüber hinaus ist es aus unserer Sicht nur konsequent, in einer Zeit von zunehmendem Individualismus, unser Angebot laufend auf die Bedürfnisse unserer Mandanten zuzuschneiden.
Soykandar: Das gilt übrigens auch für unser Private Banking. Unser Haus investiert hier ebenso in ein besseres Beratungserlebnis, eine durchgängige individuelle Betreuung und den Ausbau unseres Geschäfts. Unser Ziel ist es, das Vermögen unserer Mandanten bestmöglich und verantwortungsvoll zu mehren. Wenn Private-Banking-Kunden mit uns wachsen, dann übernimmt das Wealth Management und irgendwann vielleicht auch unser UHNWI-Team. Das sind dann immer auch persönliche Erfolgsgeschichten, die uns antreiben.
Dieser Artikel wurde erstmalig am 28. März 2025 im Private Banking Magazin veröffentlicht.
Sebastian Ahlhorn
Sebastian Ahlhorn ist Managing Director im Wealth Management der Commerzbank und verantwortet seit Oktober 2024 als Global Head UHNWI & Family Office den Geschäftsbereich für hochvermögende Mandanten der Bank. Ahlhorn begann seine Karriere in der Transaktionsberatung der KPMG und war folgend in Führungspositionen mehrerer Family Offices und Private Equity Unternehmen, vornehmlich in den Bereichen Strategie und Private Markets, aktiv. Zuletzt war er für das Multi Family Office Finvia tätig, wo er neben den Bereichen Transaction Advisory und Direct Investments zuletzt auch die Position des CFO innehatte.
Ersin Soykandar
Ersin Soykandar ist in der Commerzbank Managing Director und Abteilungsleiter im Bereich UHNWI & Family Office und verantwortet die vertrieblichen Aktivitäten in Nord-/Ostdeutschland sowie Mitte um Frankfurt am Main. Er arbeitete in diversen Führungspositionen bei deutschen und Schweizer Privatbanken, darunter die Deutsche Bank, Credit Suisse und Bank J. Sarasin. Zuletzt war Soykandar als Managing Partner an der Entwicklung der Geschäftstätigkeit von Finvia beteiligt, insbesondere im Bereich Vertrieb und Family Office-Dienstleistungen.