Instant-Payment-Regulatorik schafft eine neue Ära im Zahlungsverkehr

Interview mit Simone Löfgen

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KARTEN - Zeitschrift für Zahlungsverkehr und Payments

Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung von KARTEN

12.06.2025

Ein Mann hält Karte und Handy in der Hand
© Adobe Stock
In den nächsten fünf Jahren wird sich der Anteil von klassischen und Echtzeitüberweisungen in etwa auf eine hälftige Verteilung verschieben, sagt Simone Löfgen. Mittelfristig werden jedoch nicht alle Kunden eine Notwendigkeit sehen, ihre Zahlungen in Echtzeit auszuführen. Bei Firmenkunden zeigt sich ein erhöhtes Interesse, mit Echtzeitzahlungen die Liquidität besser zu steuern. Im E-Commerce hingegen bergen Instant Payments aus Kundensicht die gleichen Risiken wie die klassische Vorkasse. Die für den Erfolg wichtigen gemeinschaftlichen Regeln, beispielsweise zum Käuferschutz, müssen deshalb von den Marktteilnehmern entwickelt werden.

Durch die Instant-Payment-Regulatorik, deren erste Phase im Januar in Kraft getreten ist, ist das Jahr 2025 zumindest regulatorisch in eine neue Ära eingetreten. Welcher Anteil der Überweisungen läuft bei der Commerzbank denn inzwischen in Echtzeit? Hat sich hier seit Jahresbeginn schon etwas verändert?
Mit der neuen Instant-Payment-Regulatorik beginnt tatsächlich eine neue Ära für den Zahlungsverkehr europäischer Banken. Im klassischen Zahlungsverkehr im Euro-Raum, wie bei Sepa-Überweisungen, waren die Prozesse bislang an traditionelle Banköffnungszeiten gebunden, sodass Buchungen hauptsächlich während der Geschäftszeiten erfolgten und die Zahlung erst am nächsten Bankarbeitstag auf dem Empfängerkonto ankam. Mit Echtzeitzahlungen (Instant Payments) tritt der Zahlungsverkehr jetzt in eine 24/7-Welt, die den Anforderungen der zunehmenden Digitalisierung und Online-Welt gerecht wird. Dabei sind Instant Payments nicht neu – in der Commerzbank bieten wir dieses Produkt in Deutschland bereits seit 2019 sehr erfolgreich für unsere Kunden an. Bislang war die Teilnahme der europäischen Banken an dem Verfahren jedoch freiwillig; dies hat sich seit dem 9. Januar 2025 geändert, da jede Bank im Euro-Raum verpflichtet ist, Instant Payments empfangen zu können. Dies eröffnet neue Möglichkeiten und reduziert Friktionen im Zahlungsprozess.
In den vergangenen Jahren wurden Instant Payments bereits für die Privatkunden in der Commerzbank und der Marke Comdirect angeboten. Im vergangenen Jahr lag der Anteil der Instant Payments bei den Privatkunden über digitale Kanäle bei etwa 20 Prozent. Bei Firmenkunden sehen wir seit Januar 2024 eine deutliche Steigerung – so erwarten wir für 2025 bereits eine Verdoppelung unseres Volumens im Vergleich zu 2024.

Mit welchem Aufwand waren die dafür nötigen technologischen Anpassungen bei der Commerzbank verbunden?
Die Commerzbank war bereits seit 2019 ein Early Adopter bei Instant Payments und hat somit eine solide technische Grundlage, auf der sie skalieren kann. Im Rahmen der neuen Instant-Payment-Regulatorik wurden auch die europäischen Filialen im Euro-Raum an diese technische Lösung angeschlossen und die Bank kann damit europaweit einschließlich der Schweiz einheitlich Kunden Echtzeitzahlungen anbieten.
Der Umsetzungsaufwand durch die neue Regulatorik bezieht sich überwiegend auf die zusätzlichen Aspekte aus der europäischen Verordnung, beispielsweise das Ausweiten des Angebots auf alle Kanäle einschließlich der papierhaften Überweisung sowie die Einführung des neuen Services zum IBAN-Namensabgleich, des sogenannten „Verification of Payee“.

Echtzeitzahlungen dürfen für die Kunden nicht teurer sein als „normale“ Überweisungen. Wo ist da der Business Case für Banken?
Im Massenzahlungsverkehr im Sepa-Raum liegt der Fokus auf der Skalierung unserer Plattformen, um eine möglichst hohe Kostendegression zu erreichen, da die Entgelte je Einzeltransaktion dadurch deutlich geringer sind als beispielsweise bei grenzüberschreitenden Währungszahlungen.
Der Charme von Instant Payments liegt darin, dass sich für die Kunden neue Geschäftsmöglichkeiten, wie zum Beispiel im Online-Handel, ergeben, bei denen wir unseren Marktanteil ausweiten können. Daher liegt unser aktueller Fokus darauf, auf Basis von „Instant Payment as New Normal“ Mehrwertdienste anzubieten. Dazu gehört beispielsweise auch eine mögliche Ausweitung des Angebots auf Request-to-Pay, das Echtzeit-Pendant zur Lastschrift. Perspektivisch wird auch die Verknüpfung der Euro-Echtzeitzahlungen mit anderen internationalen Instant-Payment-Formaten, also grenzüberschreitenden Echtzeitzahlungen, neue Anwendungsfelder eröffnen.

Wie lassen sich Echtzeitzahlungen und Betrugs- beziehungsweise Geldwäscheprävention miteinander vereinbaren?
Instant Payments sind per Definition endgültig – nach Gutschrift der Zahlung beim Empfänger kann die Zahlung nur mit Zustimmung des Zahlungsempfängers zurückgeholt werden. Damit ist das Format für alle Arten von Betrügern und Kriminellen interessant, um Zahlungen schnell auf unberechtigte Konten zu leiten. Die Instant-Payment-Regulatorik hat dafür verschiedene zusätzliche Sicherheitsmechanismen vorgesehen: So soll ab Oktober 2025 für alle Zahlungen, ob klassisch oder in Echtzeit, die „Verification of Payee“ eingeführt werden, sodass bereits vor Freigabe der Zahlung der auftraggebende Kunde europaweit abgleichen kann, ob die Kontonummer des Empfängers mit der Kontobezeichnung beziehungsweise dem Zahlungsempfänger übereinstimmt und so Zahlungen auf betrügerische Konten vermieden werden.
Insgesamt sind sowohl der Abgleich gegen die Sanktionslisten als auch die Prüfung auf mögliche Betrugsfälle wichtig, damit Banken eine leistungsfähige IT-Lösung implementiert haben, um innerhalb der 10 Sekunden für Instant Payments die notwendigen Prüfungen vornehmen zu können. Künstliche Intelligenz kann hier als wichtiger Enabler dienen, um die Modelle zur Betrugsbekämpfung zu verbessern und Friktionen im Zahlungsprozess zu vermeiden.

Inwieweit kann der ISO 20022 Standard dabei helfen?
Mit dem ISO 20022 Standard, den Swift und Euro-System im März 2023 eingeführt haben, ist ein wichtiger Schritt in der Standardisierung der Zahlungsverkehrsformate gemacht worden. Insbesondere eine grenzüberschreitende Verbindung mit jeweils nationalen Instant Payment Schemes außerhalb des Euro-Raums ist in der Zukunft nur möglich, wenn die Dateiformate und Felder einheitlich belegt sind, um hohe Effizienz und Schnelligkeit bei der Ausführung von Zahlungen zu ermöglichen.

Visa hat angekündigt, sich in der Instant-Payment-Betrugsprävention als Dienstleister positionieren zu wollen. Was halten Sie von diesem Ansatz? Die Commerzbank arbeitet ja ohnehin eng mit Visa zusammen.
Aktuell sehen wir branchenweit den Trend, Bezahllösungen auf Basis von Account-to-Account-Zahlungen, also kontobasierten Zahlungen, auszubauen. Grundsätzlich stellt sich im Zahlungsverkehr immer die Frage „Make, Buy, Partner“. Gerade beim Backend-Processing im standardisierten Massenzahlungsverkehr ist der Kundenmehrwert von individuellen Lösungen eingeschränkt, sodass sich jedes Institut genau ansehen sollte, welche Teile der Wertschöpfungskette selbst gebaut und betrieben werden sollen oder ob es Synergien aus Partnerschaften mit starken, globalen Netzwerkanbietern geben kann. Dazu zählt auch Visa, mit denen die Commerzbank jetzt eine präferierte Partnerschaft bei Debit- und Kreditkarten eingegangen ist.

"Mit Instant Payments tritt der Zahlungsverkehr in die 24/7-Welt."

Welche Anforderungen stellen Echtzeitzahlungen an das Liquiditätsmanagement von Banken? Und wie lässt sich diese Herausforderung lösen?
In einer Instant-Payment-Welt muss auch das Liquiditätsmanagement der Banken unter einem 24/7 Monitoring stehen, um sicherzustellen, dass die Konten bei der Zentralbank über ausreichend Liquidität verfügen, um Zahlungen ausführen zu können. Basierend auf ihren umfassenden Erfahrungen hat die Commerzbank sehr effektive Modelle etabliert, um eine effiziente Liquiditätssteuerung zu ermöglichen. Mit einem steigenden Volumen von Instant Payments werden diese Modelle weiterentwickelt.

Wo sehen Sie den höchsten Bedarf für Echtzeitzahlungen?
Wir sehen aktuell eine hohe Nachfrage nach Instant Payments bei zeitkritischen Zahlungen (zum Beispiel bei Rechnungen oder Mahnungen) und Online-Bestellungen oder auch bei Zahlungen, bei denen der Kunde sicherstellen will, dass die Zahlung an- gekommen ist, da bei jeder Echtzeitzahlung auch der Erfolg der Zahlung direkt bestätigt wird. Im nächsten Schritt erwarten wir eine weitere Adaption bei Zahlungen im Online-Handel. Instant Payments sind vom Kostenprofil für Händler interessant, da sie keine Intermediäre benötigen. Auf der Firmenkundenseite zeigt sich mittlerweile auch ein erhöhtes Interesse an Instant Payments für eine aktive Liquiditätssteuerung. So zahlen viele Firmen Gehälter bislang mit ein bis zwei Tagen Puffer aus, um die rechtzeitige Zahlung zu gewährleisten. Mit Instant Payments können Gehaltszahlungen künftig zuverlässig und taggleich ausgeführt werden.

Wie lange wird es klassische Überweisungen und Echtzeitüberweisungen nebeneinander geben?
Das ist ein spannender Blick in die Glaskugel. Wir erwarten, dass sich der Anteil von Instant Payments zu klassischen Überweisungen in den nächsten fünf Jahren auf etwa 50:50 verschieben wird. Zumindest mittelfristig werden nicht alle Kunden eine Notwendigkeit sehen, alle Zahlungen in Echtzeit auszuführen. Außerdem sind gerade bei den Firmenkunden häufig Anpassungen in ihren IT-Systemen und Prozessen notwendig, um eine vollständige Umstellung zu erreichen. Aus der Erfahrung zeigt sich, dass solche technischen Umstellungen lange dauern können.

Instant Payments sollen im E-Commerce die Dominanz von nicht-kontobasierten Bezahlmethoden wie in Deutschland vor allem Paypal zurückdrängen. Wie schätzen Sie hierfür die Erfolgsaussichten ein?
Aus Sicht der Händler sind kontobasierte Bezahlmethoden aufgrund ihrer geringeren Kostenbasis sehr interes- sant, da unterschiedliche Gebührenkomponenten entfallen. Instant Payments bieten zusätzlich mit der Schnelligkeit und der Endgültigkeit der Zahlung für den Händler ein hohes Maß an Sicherheit.
Andererseits werden Bezahlverfahren vom Kunden ausgewählt. Hier sehe ich nach wie vor den Faktor der Bekanntheit und Convenience als entscheidend für den Kunden, ein bestimmtes Bezahlverfahren online auszuwählen.
Wallet-basierte Verfahren wie Paypal bieten aktuell den Vorteil der hohen Marktdurchdringung und Bekanntheit in Deutschland. Instant Payments müssen bei den Kunden und Händlern deutlich an Bekanntheit gewinnen, um sich als echte Alternative im E-Commerce etablieren zu können.

Welche bisherigen Bezahlverfahren könnten Ihrer Einschätzung nach künftig von Konto-zu-Konto-Zahlungen ersetzt werden?
In der Online-Welt werden heute – neben Paypal – vor allem Kartenzahlungen internationaler Card Schemes mit Zahlungsgarantien genutzt, um die Nachteile der klassischen Sepa-Überweisung – Endgültigkeit der Zahlungen, Geschwindigkeit, Sicherheit – auszugleichen. Mit den verbesserten Features von Instant Payments werden diese Nachteile teilweise ausgeglichen und können damit auch online eine valide Alternative zu Kartenzahlungen bieten.

Auch Wero basiert auf Echtzeitzahlungen. Weshalb ist die Commerzbank hier (noch) nicht dabei? Gibt es eine Planung, Wero auch anzubieten – in der Banking-App oder über die Wero-App?
Die Commerzbank zählte zu den Gründungsmitgliedern von EPI – der European Payments Initiative –, da wir überzeugt sind, dass eine einheitliche, paneuropäische Bezahllösung große Mehrwerte für unsere Kunden bieten könnte. Als der regionale Scope von EPI substanziell reduziert wurde, standen Investitionen und Nutzen nicht mehr im richtigen Verhältnis.
Mit der Einführung von Wero vor allem bei deutschen und französischen Instituten mit der Peer-to-peer-Lösung ist jetzt der erste Use Case live. Wir beobachten diese Entwicklung interessiert und evaluieren vor allem die Abhängigkeiten zu einer möglichen Einführung eines digitalen Euro.

Wie lassen sich im digitalen Handel Käuferschutz und Instant Payments verbinden?
Käuferschutz könnte ein Beispiel für einen Mehrwertservice sein, der auf Basis von Instant Payments angeboten werden kann. Das Zahlungsformat ist per Definition nach 10 Sekunden final, sodass es für den Käufer keine Möglichkeit gibt, das Geld zurückzufordern, sollte ein Händler die Ware nicht versenden. Es besteht also das gleiche Risiko wie bei einer klassischen Überweisung, die vor Erhalt der Ware getätigt wurde. Damit ist aus Verbrauchersicht keine Absicherung gegeben – hier könnten Versicherer oder Banken ansetzen, um zusätzliche Absicherungsmöglichkeiten, zum Beispiel gegen eine zusätzliche Gebühr, anzubieten.
Instant Payments sind Teil des Zahlungsverkehrs, aber beinhalten kein eigenes Scheme, vergleichbar mit den Regeln der International Card Schemes oder Wallet-Anbieter. Die Regulierung von Instant Payments unterstützt die technische Grundlage für solche Zahlungen. Die für den Erfolg wichtigen gemeinschaftlichen Regeln müssen von den Marktteilnehmern entwickelt werden.

Wie blicken Sie vor dem Hintergrund dessen, was heute bekannt ist, auf den digitalen Euro?
Der digitale Euro, wie er aktuell im Design mit der EZB diskutiert wird, stellt sich momentan in erster Linie als ein Bezahlverfahren auf Basis von Zentralbankgeld und schwerpunktmäßig getragen von Standardsetzung und Abwicklung durch die EZB dar. Einerseits sind solche paneuropäischen Bezahllösungen aus Kundensicht zu begrüßen, da sie auch vor dem Hintergrund geopolitischer Volatilitäten die europäische Autonomie stärken können. Andererseits umfasst das diskutierte Rulebook zum digitalen Euro ein hochkomplexes Regelwerk, dessen Implementierung sehr aufwendig sowohl für Zentralbanken als auch für Geschäftsbanken sein wird. Auch diese Initiative begleiten wir in verschiedenen Arbeitsgruppen mit Verbänden und Zentralbanken aktiv, um konstruktiv die Zukunft des Zahlungsverkehrs in Europa zu gestalten.