Interview
, Traditionelles Handwerk zwischen Familienbetrieb und Führungskultur

Interview mit Sophie Hinkel, Geschäftsführerin der Traditionsbäckerei Hinkel

Dass Kunden vor der Traditionsbäckerei Hinkel Schlange stehen, ist die Regel. Mit zwei Filialen und eigener Produktion auf 800 Quadratmeter mitten in der Altstadt von Düsseldorf beschäftigt der Handwerksbetrieb 110 Mitarbeiter aus gut 20 Nationen. 2022 übernimmt Sophie Hinkel im Alter von 25 Jahren die Bäckerei in der fünften Generation. Sie setzt dabei auf Handwerk in der Backstube und geht gleichzeitig neue Wege bei der Führungskultur und digitalen Kanälen.

Die Bäckerei für Brotfreunde ohne Schnickschnack

„Hinkel-Feeling“ nennt Sophie Hinkel das Erfolgsrezept ihres Handwerksbetriebs. „Wir legen Wert auf den Menschen. Sowohl auf unsere Mitarbeiter als auch auf unsere Kunden.“ Damit lebt sie den Grundsatz ihres Vaters, der die Bäckerei Hinkel rund 40 Jahre geleitet hat, im Familienbetrieb weiter. Und auch den ihres Großvaters, der den Slogan „Die Bäckerei für Brotfreunde“ erfunden hat.

Die Basis ihres Geschäfts ist nämlich gutes Brot, hergestellt mit ausreichend Zeit und meisterhaftem Handwerk. „Unser Fokus liegt auf hochwertigem Brot aus regionalen Zutaten. Dabei geben wir dem Sauerteig durchschnittlich drei Tage Zeit zu gären“, erzählt Sophie Hinkel und ergänzt. „Wir haben zwar auch Brötchen, aber keine Konditorei, keine Snacks, kein Schnickschnack.“

Erstmal eine Führungsstruktur mit Personalleiterin und Produktionsleiter eingeführt

Die heute 29-Jährige liebt das traditionelle Bäckerei-Handwerk. Um die Erfolgsgeschichte des Familienbetriebs fortzuschreiben, sieht sie ihre Rolle dabei mehr in der strategischen Entwicklung der Bäckerei Hinkel als in der Backstube. „Ich möchte mich vom Tagesgeschäft unabhängig machen.“ Dafür hat sie bereits einiges getan, etwa eine Führungsstruktur eingeführt mit Personalleiterin und Produktionsleiter. Für was brauchst Du Leute im Büro?, fragte ihr Vater sie. „Unsere interne Struktur war nie mitgewachsen. Ich saß damals alleine mit meiner Mutter, die seit mehr als 30 Jahren die Buchhaltung macht, im Büro“, lacht Sophie Hinkel. Inzwischen versteht ihr Vater die Entscheidung sehr gut.

Ich möchte mich vom Tagesgeschäft unabhängig machen.

Bäckerei-Handwerk gelernt, Management und Führung studiert

Dazu gehört, dass sie Führung ernst nimmt. Sophie Hinkel hat gemeinsam mit ihren beiden Leitungskräften eine Ausbildung zum systemischen Coach gemacht. Weiterbildung gehört zu ihrer Philosophie. Das gilt für ihre weiteren Führungskräfte wie Teamleiter ebenso wie für die 13 Azubis. Ihre wertschätzende Führung ist ein Grund, „warum alle voll hinter unserer Marke stehen“.

Das kommt nicht von ungefähr. Sophie Hinkel hat neben dem Bäckerei-Handwerk auch Management studiert. Erst der Bachelor in Maastricht in International Business, dann die Bäckerlehre im elterlichen Betrieb und während ihres Aufstiegs zur Bäckereimeisterin macht sie berufsbegleitend ihren Master in Human Resource Management. Inzwischen ist sie verheiratet und hat einen einjährigen Sohn. Wie sie das alles schafft? Mit klarem Fokus, aber „natürlich gibt es Momente, in denen ich denke: Ich mach jetzt alles zu und hab meine Ruhe“, lacht sie.

Klare Vorstellungen beim Thema Finanzen

Als sie den Familienbetrieb offiziell übernimmt, geht Sophie Hinkel ebenfalls ihren eigenen Weg. Sie erwirbt 40 Prozent des Geschäfts und der Immobilien und wandelt die Rechtsform nach Gesprächen mit ihrem Steuerberater und Anwalt zu einer GmbH & Co. KG um. „Mein Vater hat den Betrieb als Einzelkaufmann geführt. Das entspricht nicht mehr der heutigen Zeit und persönlich für alles haften, das wollte ich nicht.“

Beim Thema Finanzen hat sie klare Vorstellungen. Ein Grund, warum sie die Zusammenarbeit mit der Commerzbank nicht nur schätzt, sondern ausbaut. „Das Bargeld aus unseren Geschäften bringen wir schon lange zur Commerzbank, die praktischerweise hier um die Ecke ist.“

Als Corona kommt, führt das wie fast überall auch bei ihren Geschäften zu einem Einschnitt. Ihre eigentliche Bank, die die Bäckerei Hinkel schon seit Jahrzehnten kennt, drückt aber aufgrund der Pandemie auf die Vollbremse. „Sie meinten, wir halten erstmal die Pferde still und geben keine Kredite mehr“, erzählt Sophie Hinkel erstaunt und enttäuscht. Deshalb fragt sie bei der Commerzbank nach und stößt sofort auf offene Ohren.

Die Commerzbank hat viel Verständnis für die Geschäfte eines Handwerksbetriebs

„Obwohl wir noch kein enges Geschäftsverhältnis hatten, ging nach unserer Anfrage alles völlig unkompliziert. Die Commerzbank hat uns die gewünschte Kreditlinie mit viel Verständnis für unsere Geschäfte als Handwerksbetrieb und dem entsprechenden Vertrauensvorschuss gegeben.“ Sophie Hinkel schätzt den Austausch mit der Bank. „Es ist ein echtes Geben und Nehmen von beiden Seiten.“ Gerade bei den Themen Finanzierung, Erfahrung und Netzwerk erhalte sie neue Impulse von ihren Beratern der Commerzbank. „So habe ich mit dem "Club der Unternehmerinnen" den Zugang zu einem wichtigen Netzwerk erhalten, von dem ich profitiere und bei dem ich auch meine eigenen Erfahrungen weitergeben kann.“

Ich schaue nicht so sehr auf den Wettbewerb, dann entsteht ja nichts Neues.

Zum Beispiel ihre Empfehlung an Handwerksbetriebe und Gründer lieber herauszufinden, wo die eigenen Stärken liegen, statt sich ständig am Wettbewerb zu orientieren. „Wenn ich nur auf den Wettbewerb schaue, entsteht ja nichts Neues“, ist sie überzeugt. Um die eigenen Qualitäten zu kennen und stetig zu verbessern, analysiert sie regelmäßig ihr Geschäft.

Um Verkaufszahlen auszuwerten und Prozesse zu optimieren, setzt sie auf KI

Aktuell macht die Bäckerei Hinkel rund 75 Prozent ihres Umsatzes mit Endkunden und gut 25 Prozent mit Hotels, Gastronomie und Firmen. Diese Quote will sie beibehalten, „damit wir nicht von einzelnen Großkunden abhängig werden“.

Alles selbst zu backen, ist jedoch personalintensiv und nicht günstig. Auf das Personal entfallen rund 50 Prozent aller Kosten. Das sieht Sophie Hinkel, die ihr Geschäft in die Zukunft führen will, als besondere Herausforderung. „Ich möchte wissen, wie wir Prozesse effizienter und automatisierter gestalten können. Nur eines werden wir nicht automatisieren, unsere Backstube, da ist und bleibt alles Handwerk.“ Das Sortiment hat sie mittels KI bereits analysiert und deshalb auf 60 Brotsorten reduziert – insgesamt 210 Backwaren gibt es in ihren Filialen.

Social Media bietet viel Potenzial für Handwerksbetriebe

2018 startete sie den Instagram-Account für die Bäckerei. „Mich haben Kunden oft gefragt, welche Produkte wir fertig als Tiefkühlware kaufen. Statt immer wieder zu erklären, dass wir alle Brote selbst backen, wollte ich es einfach auf Instagram zeigen.“ Sophie Hinkel hat das Potenzial fürs Handwerk früh erkannt. Sie investiert in eine Werkstudentin mit Social-Media-Erfahrung, die neben dem Instagram-Account, der inzwischen rund 11.000 Follower hat, künftig noch weitere Kanäle bespielen soll.

Mich haben Kunden oft gefragt, welche Produkte wir fertig als Tiefkühlware kaufen. Statt immer wieder zu erklären, dass wir alle Brote selbst backen, wollte ich es einfach auf Instagram zeigen.

„Handwerksbetriebe, die eine Geschichte zu erzählen haben oder Arbeitskräfte suchen, sollten Social Media und digitale Kanäle nutzen“, rät Sophie Hinkel. Neben dem Stärken ihrer Marke und Employer Branding nutzt die Bäckerei Hinkel Social Media für den Vertrieb. Über ihren Online-Shop gehen wöchentlich bisher gut 60 Pakete raus. Schon ab Herbst 2025 soll E-Commerce noch wichtiger werden.

Mit neuem Vertriebskanal und neuem Angebot Wachstumspotenzial schaffen

Einfach eine Filialkette werden – wie viele große Bäckereien – das will Sophie Hinkel nicht. Sie möchte das Kerngeschäft weiter vorantreiben und zusätzlich Neues schaffen, das macht ihr Spaß. Jetzt erhält sie dafür tatkräftige Unterstützung aus der eigenen Familie. Sophie hat vier jüngere Geschwister. Ihr jüngerer Bruder, der Kommunikationswissenschaften studiert hat, steigt nun mit ein.

Da kommt ein neues Angebot fürs Sortiment genau richtig: Zusammen mit dem Diabetes Zentrum Düsseldorf hat die Bäckerei Hinkel eines ihrer Brote untersucht und das Rezept dafür zu einem besonderen Brotmix gemacht. „Im Grunde ist es ein Saatenbrot. Wir liefern den Brotmix und der Kunde backt es zu Hause selbst. Es braucht dafür nur Wasser und etwas Honig“, erzählt Sophie Hinkel begeistert. Ihr 26-jähriger Bruder soll für diesen neuen Geschäftszweig mitverantwortlich sein. „Ich habe ihm gesagt: Du kannst auf Dauer nur bleiben, wenn das neue Geschäftsfeld erfolgreich bestehen kann“, sagt sie ehrlich und fügt an: „Er hat da voll Bock drauf.“

Sophie Hinkel hat noch viel vor. Sie geht die laufenden Veränderungen an, bleibt neugierig und schafft es, ihre langjährigen Mitarbeiter auf diese Reise mitzunehmen. Ihr Kerngeschäft bleibt das hochwertige Brot aus der Backstube. Der E-Commerce-Vertrieb wird ab Herbst ausgebaut. Und was sieht sie noch in der Zukunft? „Mein anderer Bruder ist Brauereimeister. Wer weiß, vielleicht machen wir irgendwann eine Hinkel-Holding daraus“, lacht Sophie Hinkel. Zuzutrauen ist es ihr allemal.

Autor: Murtaza Akbar

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