EZB – Für eine echte Strategie-Überprüfung

Die EZB spielt die im kommenden Jahr anstehende Revision ihrer geldpolitischen Strategie herunter – zu Unrecht.

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Dr. Jörg Krämer

Commerzbank Economic Research

28.11.2024

Es braucht eine tiefgreifende Revision, um die Lehren aus dem zurückliegenden Inflationsschock zu ziehen.

Auf den ersten Blick ist die im nächsten Jahr anstehende Revision der geldpolitischen Strategie der EZB nur etwas für Experten. Aber weit gefehlt – es geht um die wichtige Frage, wie die EZB in Zukunft einen erneuten Inflationsschock verhindern will. Ich schlage vier Änderungen an der geldpolitischen Strategie vor.

Zielband statt Punktziel

Erstens sollte die EZB die Definition von Preisstabilität revidieren. Bisher sieht sie sich am Ziel, wenn die von ihr prognostizierte Inflation mittelfristig bei zwei Prozent liegt. Aber keine Zentralbank der Welt kann die Inflation punktgenau steuern. Sie muss an diesem zu hoch gesteckten Ziel scheitern, was ihrer Glaubwürdigkeit schadet.

Besser als ein Punktziel wäre ein Zielband – etwa von plus/minus 0,5 Prozentpunkte um die zwei Prozent herum. Dadurch gewönne die EZB nicht nur Glaubwürdigkeit, sondern ihre Geldpolitik würde auch maßvoller. Weicht die prognostizierte Inflationsrate nur wenig von zwei Prozent ab, wäre sie nicht zu einem scharfen Gegensteuern gezwungen. Sie darf nicht wieder wie im September 2021 den Einsatz massiver Instrumente wie Negativzinsen oder breitangelegte Anleihekäufe damit begründen, dass sie mittelfristig eine Inflationsrate von 1,9 und nicht 2,0 Prozent prognostiziert. Mit Blick auf die hohe Prognoseunsicherheit ist das abstrus.

Symmetrischer statt asymmetrischer Mitteleinsatz

Zweitens sollte die EZB ihre geldpolitischen Instrumente nicht mehr asymmetrisch einsetzen. Bisher reagiert die EZB stärker auf eine unter zwei Prozent liegende Inflationsrate als auf eine darüber liegende. Diese Asymmetrie des Mitteleinsatzes begründet sie damit, dass die Wirtschaft bei einer zu niedrigen Inflation in eine schädliche Deflation mit fallenden Verbraucherpreisen abgleiten könnte, aus der die EZB sie kaum befreien könne.

Aber solche deflationären Fallen lassen sich in der Wirtschaftsgeschichte kaum beobachten. So hat die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) gezeigt, dass Phasen mit fallenden Verbraucherpreisen während des Goldstandards (bis Ausbruch des ersten Weltkriegs) und seit Ende des Zweiten Weltkriegs mit einem steigenden und nicht fallenden Bruttoinlandsprodukt einhergingen. Die häufig zitierte Große Depression in den USA der 30er Jahre tauge nicht als Gegenbeispiel, weil die fallenden Preise nicht Ursache der Wirtschaftskrise waren, sondern Folge einer Geldknappheit, die durch den Zusammenbruch von rund einem Drittel der US-Banken ausgelöst worden war.

Den vollständigen Text finden Sie im PDF-Dokument.