Prognoseänderung: EZB mit Zwischenspurt

Die zuletzt spürbar gefallenen Inflationsraten und die eingebrochenen Frühindikatoren für die Konjunktur haben uns dazu veranlasst, unsere EZB-Prognose zu ändern...

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Dr. Marco Wagner

Commerzbank Economic Research

30. September 2024

...zumal EZB-Präsidentin Lagarde heute entsprechende Hinweise gab. Anders als bisher von uns erwartet werden die EZB-Notenbanker wohl bereits im Oktober die Zinsen ein weiteres Mal senken. Nach einer weiteren Zinssenkung im Dezember dürfte die EZB ab 2025 wieder zu ihrer langsameren Gangart zurückkehren – mit Zinssenkungen im März und Juni. Dann läge der Einlagensatz bei 2,50% (zuvor: 2,75%).

Inflationsrate unter 2% ...

Die Inflation im Euroraum befindet sich zurzeit deutlich auf dem Rückzug. Bereits im August lag sie mit 2,2% nur noch knapp über der 2%-Zielmarke der EZB, und im September dürfte sie weiter gefallen sein. Die meisten Volkswirte erwarten für die morgen veröffentlichten Inflationsrate einen Rückgang auf 1,8%; wir sehen selbst dafür noch weitere Abwärtsrisiken. Denn die bereits von einigen Ländern des Euroraums veröffentlichten Zahlen haben nach unten überrascht. Beispielsweise ist die Inflation in Spanien von 2,4% auf 1,7% zurückgegangen, die in Frankreich von 2,2% auf 1,5%, für beide Länder hatten Volkswirte nur mit einem Rückgang auf 1,9% gerechnet (Chart). In Deutschland sank die Inflation wie erwartet von 2,0% auf 1,8%. Maßgeblich verantwortlich für die zuletzt überraschend niedrige Inflation sind die gefallenen Preise für Energie. Daneben sollte die Kerninflation (ohne Energie, Nahrungs- und Genussmittel) leicht von 2,8% auf 2,7% gesunken sein.

... und zunehmende Konjunkturrisiken ...

Außerdem hat der Ausblick auf die Konjunktur zuletzt einen spürbaren Dämpfer erlitten. Der kombinierte Einkaufsmanagerindex für die Industrie und den Dienstleistungssektor im Euroraum ist im September von 51,0 Punkten auf 48,9 gefallen und bewegt sich damit auf einem Niveau, das in den kommenden Monaten eine ausgesprochen schwache Konjunktur bis hin zu einer leichten Rezession erwarten lässt.

... liefern Tauben Argumente für Zinssenkung im Oktober

Die geldpolitischen Tauben, die sich im EZB-Rat in der Mehrheit befinden, dürften den Einbruch der Frühindikatoren und die nach unten überraschende Inflation nutzen, um im Oktober eine weitere Zinssenkung durchzusetzen. In den vergangenen Wochen hatten sie ohnehin bereits ihre Besorgnis um die Konjunktur und ein mögliches Unterschießen der Inflation unter den Zielwert von 2% zum Ausdruck gebracht. Erst heute betonte EZB-Präsidentin Lagarde bei ihrer Anhörung vor dem EU-Parlament, dass man die zuletzt gefallene Inflation bei der Oktober-Sitzung berücksichtigen werde. Außerdem ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Inflation in den kommenden Monaten weniger anziehen dürfte als in der aktuellen Projektion der EZB erwartet, weshalb die Notenbanker auch im Dezember die Zinsen senken dürften.

2025 wieder langsamere Gangart bei Zinssenkungen

Dieses höhere Tempo bei den Zinssenkungen dürfte aber nur ein Zwischenspurt sein. Je näher die EZB mit ihren Leitzinsen an den neutralen Zins heranrückt, der laut EZB-Analysen zwischen 2,0% und 2,5% verortet wird, desto energischer dürften die Falken im EZB-Rat gegen rasche Zinssenkungen argumentieren. Zu Beginn des kommenden Jahres dürfte die Kerninflation noch immer bei rund 2¾% liegen, und die nach wie vor kräftigen Lohnsteigerungen lassen noch nicht erwarten, dass die Inflation insbesondere bei Dienstleistungen in den kommenden Monaten spürbar nachlassen wird. Hinzu kommt nach einer Analyse von EZB-Ratsmitglied Schnabel, dass die Wirkung der geldpolitischen Straffung auf die Wirtschaft bereits allmählich nachlässt. Vor diesem Hintergrund dürften die EZB-Notenbanker 2025 zu ihrem vorsichtigeren Ansatz der Zinssenkungen zurückkehren und nur bei den Sitzungen mit neuen Projektionen Schritte wagen, also einmal im Quartal. Mit Zinssenkungen im Oktober, Dezember, März und Juni wäre ein Einlagensatz von 2,50% erreicht.

Danach dürfte die EZB die Zinsen nicht weiter senken. Denn im Verlauf des kommenden Jahres dürfte sich allmählich zeigen, dass die Inflation nicht nachhaltig besiegt ist.

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