Glücksfall Schuldenbremse
Die Schuldenbremse ist bei vielen Politikern unbeliebt.
Commerzbank Economic Research
08.07.2024
Wegen der schwierigen politischen Lage in Frankreich schauen die Anleger seit Wochen mit Sorge auf die Anleihen des hoch verschuldeten Landes. Statt sich in dieser Situation über die vergleichsweise niedrigen deutschen Staatsschulden zu freuen, wettern einige Politiker gegen die Schuldenbremse des Grundgesetzes, obwohl sie maßgeblich für die relative Solidität deutscher Staatsfinanzen verantwortlich ist. Deutschland ist schließlich das einzige große Mitgliedsland der Währungsunion, dessen Schulden relativ zum Bruttoinlandsprodukt nahe an den Vorgaben des Maastricht-Vertrags sind.
Schuldenbremse zwingt zum Priorisieren
Auch wenn die Koalition die Schuldenbremse mit Blick auf den Haushalt für das kommende Jahr einhalten will, bleibt sie bei vielen Politikern unbeliebt, weil sie das Geldausgeben beschränkt. Aber diese Restriktion ist heilsam. Sie zwingt Politiker dazu, verschiedene Ausgabenmöglichkeiten gegeneinander abzuwägen und sich idealerweise für die zu entscheiden, die für die Bürger am besten sind. Aus gegebenen Ressourcen das Beste herauszuholen, ist der Kern allen Wirtschaftens.
Es geht letztlich um Freiheit
Ohne eine Ausgabenrestriktion fehlt dagegen eine Priorisierung der Ausgaben. Der Staat würde dann viel Geld auch für Dinge ausgeben, die nicht wichtig sind. Der Verschwendung wäre Tür und Tor geöffnet. Der Staat würde immer mehr Ressourcen an sich ziehen, die er früher oder später mit höheren Steuern finanzieren müsste. Der wirtschaftliche Spielraum für Unternehmer und Arbeitnehmer würde schrumpfen – und damit auch ihre Freiheit. Es geht also nicht nur um Geld.
Politiker scheuen Investitionen
Kritiker werfen ein, dass die Schuldenbremse den Staat am Investieren hindere. In der Tat decken die staatlichen Investitionen in vielen Jahren nicht einmal die Abschreibungen, weshalb die staatliche Infrastruktur in einem schlechten Zustand ist. Das liegt aber nicht an der Schuldenbremse, sondern daran, dass viele Politiker Geld auch in Zeiten sprudelnder Steuereinnahmen lieber für Umverteilung als für Investitionen ausgeben, die ihren Nutzen nicht sofort, sondern über viele Jahre verteilt entfalten, und zudem häufig Proteste von Bürgern nach sich ziehen.
Investitionen bis zu einer bestimmten Höhe nur von Schuldenbremse ausnehmen, ...
Um diese politische Verzerrung zulasten der Investitionen zu korrigieren, könnte man Netto-Investitionen, die über den bloßen Ersatz von Abschreibungen hinausgehen, von der Schuldenbremse ausnehmen. Aber auch dafür sollte es eine Obergrenze geben. Schließlich sind nicht alle denkbaren staatlichen Investitionen gleich nützlich; es gibt auch staatliche Investitionsruinen. Deshalb ist bei Investitionen wie bei allen Staatsausgaben ein Priorisieren wichtig.
... wenn Investitionsbegriff im Grundgesetz festgeschrieben wird
Außerdem sollte im Grundgesetz geregelt sein, dass nur echte Sachinvestitionen etwa in Straßen oder Gebäude von der Schuldenbremse ausgenommen werden. Viele Politiker verwenden den Begriff der Investition dagegen inflationär – beispielsweise für Sozialleistungen.
Statt die Schuldenbremse immer wieder aushebeln zu wollen, sollten wir sie endlich schätzen lernen.
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