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30. März 2010

Commerzbank-Volkswirte: Hohe zusätzliche Belastungen für einige Euroländer durch steigende Rentenausgaben

● Griechenland am stärksten betroffen

● Spanien und Belgien mit ebenfalls hohen Belastungen

● Italien und Portugal schneiden überraschend gut ab


Langfristig gesehen stellen die staatlichen Rentensysteme für eine Reihe von ohnehin schon mit hohen Haushaltsdefiziten kämpfenden Länder eine tickende Zeitbombe dar. Am stärksten betroffen ist Griechenland. „Dort werden die Rentenausgaben gemessen am Bruttoinlandsprodukt bis 2030 um 5 ½ Prozentpunkte auf 17 Prozent ansteigen, sollten keine Reformen durchgeführt werden“, so Dr. Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. Zu großzügig und zu einseitig ist dort das System der Altersvorsorge. Mit ebenfalls hohen zusätzlichen Belastungen bis 2030 müssen laut Commerzbank, die sich auf Projektionen der EU-Kommission stützt, Belgien (3,8 Prozentpunkte des BIP) und Spanien (2,4 Prozentpunkte des BIP) rechnen. Deutschland gehört zusammen mit Italien, Großbritannien, Frankreich, Portugal und Irland zu den Ländern mit den geringsten Anstiegen. Die Studie der Commerzbank-Volkswirte untersucht die Entwicklung der staatlichen Rentenausgaben bis 2030 in verschiedenen Euro-Ländern sowie in Großbritannien. Sie stellt dar, wie stark die einzelnen Euro-Länder laut EU-Projektion vom demografischen Wandel betroffen sind, welche Länder ihre umlagefinanzierten Altersvorsorgesysteme schon reformiert haben und wo am meisten konsolidiert werden muss. Im Einzelnen wird dabei die Entwicklung der Faktoren Altenquotient, Deckungsrate und Leistungsrate analysiert.

Die Lage in Griechenland

In Griechenland geriete die Auszahlung der griechischen Renten - so der griechische Arbeitsminister - ohne Reformen schon ab 2015 in Gefahr. „Griechenland ist das einzige Land, in dem neben dem steigenden Altenquotienten auch die Leistungsrate mit +2,4 Prozentpunkten stark zum Anstieg der Rentenausgaben beiträgt“, sagt Jutta Kayser-Tilosen, Autorin der Commerzbank-Studie. Gemessen an der Leistungsrate, der durchschnittlichen Rente im Verhältnis zum durchschnittlichen Bruttolohn in Prozent, beziehen die Griechen heute nicht nur die höchsten Renten – diese betragen nämlich über 70 % des Lohnniveaus – sondern die Renten würden ohne weitere Reformen auch noch großzügiger ausfallen.

Um immerhin einen Prozentpunkt senkt die geringere Deckungsrate (Zahl der Rentenbezieher im Verhältnis zur Zahl der Menschen ab 65 Jahren) die Ausgabensteigerung in Griechenland. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass das Regelrentenalter für Frauen von 60 auf 65 Jahre angehoben wurde. Dennoch gehen Griechen mit durchschnittlich 61 Jahren vergleichsweise früh in Rente, denn der Vorruhestand ist nach wie vor sehr attraktiv.

Bis Ende April will die griechische Regierung zusammen mit den Arbeitgebervertretern und Gewerkschaften ein umfassendes konkretes Rentenreformpaket schnüren. Kayser-Tilosen: „Sofern die einzelnen vorgesehenen Elemente umgesetzt werden, würde dies eine gewisse Entlastung gegenüber der von uns vorgestellten Projektion bringen.“

Generelle Schlussfolgerungen

Die Untersuchung zeigt, dass die Länder mit der voraussichtlich ungünstigsten demografischen Entwicklung, also Frankreich, Italien und Deutschland, nicht automatisch auch die Länder mit dem stärksten Anstieg der Rentenausgabenquote sind. Die höchste Mehrbelastung haben bis 2030 diejenigen Staaten, die nur einen geringen dämpfenden Beitrag durch sinkende Deckungsraten zu erwarten haben und die ein steigendes relatives Rentenniveau verzeichnen werden, das sind Griechenland, Belgien und Spanien.

Alle drei Länder müssen ihre Systeme in einigen Elementen grundlegend ändern und ihre Altersvorsorge nachhaltiger gestalten, indem sie das Rentenalter stärker an der Lebenserwartung ausrichten und diese Anpassung des Rentenalters möglichst automatisieren. Das effektive Rentenalter würde hierdurch nach und nach steigen. In Spanien und Griechenland sollte die Zahl der Mindestbeitragsjahre erhöht werden, damit ein engerer Zusammenhang zwischen Beiträgen und Leistungen entsteht. Wichtig ist auch, dass die Höhe der Rentenleistungen sich stärker an dem Einkommen während des gesamten Berufslebens ausrichtet und nicht nur an dem der letzten Jahre vor Rentenbeginn.

Fast alle untersuchten Länder sollten die privaten Säulen der Altersvorsorge stärken. Lediglich Großbritannien und Irland verfügen über reife private Rentensysteme, die vor langer Zeit eingeführt wurden. Praktisch keine Rolle spielen private Fonds in Griechenland, obwohl es seit einigen Jahren eine gesetzliche Grundlage dafür gibt.

Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat die Haushaltsdefizite der EWU-Länder in die Höhe schnellen lassen. Die angehäuften Schulden erreichen gemessen am BIP inzwischen fast überall weit mehr als 60 %. Schon um die Schuldenquoten auf diesem Niveau zu halten, müssen die meisten Länder ihre strukturellen Defizite, also die um Konjunktureffekte und Zinszahlungen bereinigten Fehlbeträge kräftig senken. Zusätzliche dauerhafte Fehlbeträge, die aus staatlichen Zuschüssen an die Sozialversicherungssysteme resultierten, können sich die Länder der Eurozone nicht leisten. Die finanzielle Glaubwürdigkeit dieser Länder würde leiden.

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