Sustainable Finance: Wie grün werden die Investitionen?

14.12.2021 – Die EU nimmt in Sachen Nachhaltigkeit die Banken in die Pflicht. Lesen Sie, was sich bei Investitionen ändert.

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Um die Klimaziele der nächsten Jahrzehnte zu erreichen, muss Europa sich bereits jetzt nachhaltiger aufstellen. Im Wirtschafts- und Finanzsektor gibt die EU mit ihrer Sustainable-Finance-Strategie den Takt für nachhaltiges Wachstum vor. In unserem Experteninterview verrät Ihnen Bettina Storck, Head of Group Sustainability Management bei der Commerzbank, was sich daraus für die Wirtschaft und den Finanzsektor, aber auch für die Anlegerinnen und Anleger ergibt.

Frau Storck, Sustainable Finance ist ein wichtiger Teil des Green Deals, mit dem die EU bis 2050 klimaneutral werden will. Warum spielt der Finanzsektor so eine wichtige Rolle?

Bettina Storck: Der Finanzsektor ist für den Green Deal zentral: Er soll die Transformation der gesamten Wirtschaft finanzieren und nachhaltiges Wachstum unterstützen. Der Investitionsbedarf der Industrie für die nachhaltige Transformation ist riesig. Allein zur Erreichung der EU-Klimaziele liegt er laut Schätzungen der EU-Kommission bei rund 280 Milliarden. Euro jährlich. Das zeigt: Kapitalflüsse müssen zielgerichtet in nachhaltige Investitionen gelenkt, die konkrete Nachhaltigkeit von Finanzprodukten transparent gemacht und insbesondere auch Umweltrisiken stärker in den Fokus gerückt werden.

Warum ist dafür die Taxonomie nötig, also die einheitliche Klassifizierung nachhaltiger Wirtschaftsaktivitäten?

Das Ziel des Green Deals ist es, bis 2050 die Nettoemission von Treibhausgasen in der Europäischen Union auf null zu reduzieren. Europa soll damit klimaneutral werden. Dazu wurde im März 2018 der EU-Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums veröffentlicht. Die Taxonomie ist hierfür das Kernstück. Denn sie definiert Standards, mit denen das Nachhaltigkeitsniveau von Investitionen bewertet und verglichen werden kann. Die Taxonomie bestimmt also, wann eine Wirtschafts-Tätigkeit als ökologisch nachhaltig eingestuft werden darf. Zudem sind bestimmte Unternehmen künftig dazu verpflichtet, zu berichten, wie und in welchem Umfang ihre Tätigkeiten ökologisch nachhaltig sind. Dadurch hat nachhaltiges Wachstum eine Kenngröße bekommen. Das wiederum dient Kunden und Investoren bei der Nachhaltigkeitsbewertung von Finanzprodukten, Wirtschaftsaktivitäten, Unternehmen, Sektoren oder einer ganzen Volkswirtschaft. Und das erschwert es den Unternehmen, Greenwashing zu betreiben. Sie müssen sich bewegen.

Aktuell liegt der Fokus noch auf Umwelt- und insbesondere Klimathemen – also dem „E“ von „ESG“. Die Taxonomie soll aber nach und nach erweitert werden. An einer sozialen Taxonomie wird bereits gearbeitet. Ebenfalls in Diskussion ist aktuell der Vorschlag für die Bewertung sogenannter Übergangsaktivitäten. Diese sollen sicherstellen, dass transformationswillige Unternehmen insbesondere zu Beginn des Veränderungsprozesses in der Lage sind, sich zukunftsfähig aufzustellen.

Was hat die Taxonomie für Folgen?

Die genauen Folgen der Taxonomie auf verschiedene Wirtschaftssektoren sind bisher noch nicht bewertbar. Ja, Kundinnen und Kunden und Investorinnen und Investoren bekommen mehr Vergleichbarkeit und Transparenz. Für viele Unternehmen ist die Anwendung in der Praxis aber eine große Herausforderung. Nicht nur mit Blick auf das Reporting, sondern auch dahingehend, wie sich die Taxonomie auf die langfristigen Finanzierungsbedingungen auswirkt. Hierbei ist die Unsicherheit aufgrund des dynamischen Charakters der Taxonomie aktuell noch recht groß. Ist die Taxonomie tatsächlich ein wirksames Mittel, um die Finanzierung nachhaltigen Wachstums durchzusetzen?

Ist die Taxonomie tatsächlich ein wirksames Mittel, um die Finanzierung nachhaltigen Wachstums durchzusetzen?

Das wird sich zeigen. Nehmen wir nur mal das Beispiel der Erhebung von Nachhaltigkeitsdaten. Insbesondere bei kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) sind bislang kaum aussagekräftige Daten vorhanden. Dabei ist es sinnvoll, zunächst mit einfachen, klar definierten und standardisierten Kennzahlen anzufangen, damit wir überhaupt Daten haben und damit man sie vergleichen kann.

Gibt es auch Kritikpunkte?

Banken und Kapitalmärkte stehen für die Finanz- und Kapitalströme. Die Politik macht sich das zunutze und sieht Banken quasi als Steuerungswerkzeug. Um es klar zu sagen: Wir als Commerzbank stehen zu unserer Verantwortung, die nachhaltige Transformation zu finanzieren. Das ergibt sich allein schon aus unserem Verständnis unternehmerischer Verantwortung. Wir begleiten unsere Kunden bereits seit 150 Jahren und auch bei dieser Transformation werden wir gemeinsame Lösungen finden. Natürlich sehen wir die Chancen, zum Beispiel im Bereich der Erneuerbaren Energien, wo wir seit Jahrzehnten umfassendes Know-how in unserem Kompetenzcenter bündeln. Wir sind ganz klar bereit, eine Schlüsselrolle beim Klimaschutz einzunehmen. Zu kritisieren ist aber, dass die Taxonomie-Verordnung entgegen dem Versprechen der EU-Kommission keine einfache, anwendungsfreundliche Orientierungshilfe, sondern eine komplexe Herausforderung für die Anwender darstellt – und Banken sie im Prinzip mit durchsetzen müssen.

Was bedeutet Sustainable Finance denn für private Anlegerinnen und Anleger?

Für alle Anlegerinnen und Anleger – ganz unabhängig von den eigenen Anlagepräferenzen – wird die zunehmende Transparenz über Nachhaltigkeitsrisiken der Unternehmen von Vorteil sein. Sie werden von zukunftsfähigeren Geschäftsmodellen und geringeren Risiken profitieren können. Außerdem können sie nachhaltige Aspekte besser in die eigene Vermögensanlage integrieren. Sie können aktiv darüber entscheiden, ob und wie sie nachhaltiges Handeln finanzieren wollen – und zwar passend zu ihrem individuellen Nachhaltigkeitsverständnis. Auch die Commerzbank bietet ihnen entsprechende Produkte – nicht zuletzt den noch jungen Impactfonds klimaVest.

Wie werden sich Anlageprodukte verändern?

Der Trend im Bereich Anlageprodukte geht eindeutig in Richtung nachhaltige Assets. Das stellen wir auch im Gespräch mit unseren Kundinnen und Kunden immer wieder fest. Aus der Menge der inzwischen angebotenen Nachhaltigkeitsprodukte lassen sich zwei unterschiedliche Ansätze erkennen: Produkte, die auf eine explizite nachhaltige Auswirkung abzielen, auch Impact-Produkte genannt. Das sind beispielsweise Green Bonds oder Lösungen wie der klimaVest, die direkt in die Erreichung nachhaltiger Ziele wie den Ausbau Erneuerbarer Energien investieren. Eine vermutlich noch größere Rolle werden jedoch Produkte spielen, die in ihrem Management ESG-Aspekte mit anderen – bislang schon bestehenden – Anlagestrategien verbinden. Ein Branchenstandard und ein einheitliches Verständnis entstehen da gerade. Wie bei jeder neuen Entwicklung bieten sich für Anlegerinnen und Anleger damit neue Anlagemöglichkeiten und Chancen. Sie sollten sich gut informieren und die Angebote wählen, die am besten zu den eigenen Anlagepräferenzen passen. Dabei ist jedoch nicht alles neu: Die Anlegerinnen und Anleger sollten die Grundregeln einer erfolgreichen Vermögensanlage nicht außer Acht lassen. Vermögensanlage bedeutet Chancen und Risiken. Eine gute Planung, die Klärung der eigenen finanziellen Ziele und Anlagepräferenzen und anschließend eine diversifizierte, nicht einseitig ausgerichtete Vermögensanlage bleiben wichtig. Wir stehen dazu mit unserer Beratung gerne als Partner zur Verfügung.

Wie unterstützt die Commerzbank ihre Kundinnen und Kunden in der Welt der Taxonomie?

Durch gute Beratung, die die Fakten auf den Tisch legt und klare Empfehlungen gibt. Dazu haben wir weitreichende Mitarbeiterqualifizierungsprogramme gestartet.

Gibt es irgendwann einen globalen Aktionsplan?

Damit sie wirklich funktionieren, müssen Klimaziele immer globale Ziele sein. Wir müssen alles daransetzen, dass wir eine international vergleichbare Regulierung und ebenso CO2-Preise bekommen. Nur so können wir die notwendige Innovations- und Nachhaltigkeitskultur etablieren, die unsere Gesellschaft zukunftsfähig macht. Banken und Foren wie zum Beispiel die Global Association for Financial Markets fordern einen globalen einheitlichen Plan, eine globale Sustainable-Finance-Strategie. Von staatlicher Seite haben sie bisher allerdings wenig Unterstützung erhalten. Die EU will sich durch andere Vorhaben nicht einschränken lassen, denn diese könnten ihr Vorhaben potenziell durch lange Verhandlungen verzögern. Das heißt: Der EU-Aktionsplan ist ambitioniert. Und er soll der Maßstab für die Entwicklung internationaler Initiativen und Standards für ein zukunftsorientiertes Finanzwesen werden.

Bei der Transformation geht es ja immer auch um Innovation und Innovationsfinanzierung. Auch hierbei ist viel in Bewegung: Dieses Jahr im September findet erstmalig das „Impact Festival“ in Hessen statt. Die Commerzbank ist einer der Hauptpartner. Was verspricht sich die Commerzbank dadurch?

In der Tat, hier geht es um Innovation. Um frische Ideen von frischen Marktteilnehmern. Und darum, sie mit Finanziers zusammenzubringen. Mit dem Impact Festival will der main incubator, ein Tochterunternehmen der Commerzbank, quasi eine Start-Rampe für nachhaltiges Handeln bauen. Vorreiter, Vordenker, Start-ups, Unternehmen und Investoren diskutieren über zukunftsfähige Business-Modelle. Die Commerzbank will auch hier ein Zeichen setzen und unsere Kundinnen und Kunden dabei unterstützen, ihre Geschäftsmodelle umweltbewusster auszurichten. Wir möchten, dass echter Impact entsteht. Und wir sind überzeugt, dass wir das am besten gemeinsam mit unseren Kunden erreichen können. Wir sind stolz darauf, ein Teil der Veränderung zu sein.

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