KI-Boom keine Internetblase 2.0

Die aktuell starken Kursgewinne bei Aktien, die von "Künstlicher Intelligenz" (KI) profitieren, stehen auf einem solideren Fundament als der Internet-Boom ....

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Thomas Becker

Commerzbank Economic Research

22. März 2024

... um die Jahrtausendwende. Denn die wichtigsten Akteure sind bereits profitabel und wesentlich finanzstärker als die Unternehmen vor 25 Jahren. Zudem ist die benötigte Infrastruktur in größerem Umfang bereits vorhanden. Allerdings gilt auch für den Megatrend KI, dass die kurzfristigen ökonomischen Implikationen tendenziell überschätzt, während die langfristigen Auswirkungen unterschätzt werden, so dass es immer wieder zu Rückschlägen kommen dürfte.

Internetblase 2.0?

Die Aktienmärkte scheinen weltweit nur eine Richtung zu kennen: Nach oben! Ein wichtiger Treiber für die Kurse ist die Hoffnung, dass die großen Fortschritte bei der Entwicklung von KI die Gewinne der Unternehmen mittelfristig deutlich steigen lassen werden. Dies gilt insbesondere für die sieben Unternehmen ("Glorreiche 7", G7), die hieraus nach allgemeiner Auffassung den größten Nutzen haben werden und deren Aktienkurse seit Anfang 2023 im Durchschnitt um rund 100% zugelegt haben. Mancher fühlt sich dabei an die Zeit um die Jahrtausendwende und den Neuen Markt erinnert, als die Kurse von Unternehmen, deren Geschäftsmodell auf die Nutzung des Internets ausgerichtet war, nach oben schossen, um abzustürzen, als sie die hochgesteckten Erwartungen nicht erfüllen konnten.

Auch dieses Mal könnte manche Hoffnung enttäuscht werden, ...

Die langfristigen Auswirkungen einer neuen Technologie werden zwar häufig unterschätzt, die kurzfristigen aber häufig überschätzt. Letzteres dürfte auch bei KI der Fall sein und kann immer wieder für Rückschläge bei den Aktienkursen sorgen.

... aber Hauptakteure viel stabiler ...

Ein Einbruch wie nach dem Platzen der Internetblase oder des Neuen Marktes halten wir aber für unwahrscheinlich. Denn anders als die vor knapp 25 Jahren im Fokus stehenden Internet-Unternehmen, die Frühphasengeschäftsmodelle und eine schwache Kapitalausstattung aufwiesen, wird der KI-Zyklus von finanzstarken und global bereits erfolgreichen Unternehmen getragen. So sind die G7 Marktführer, die bereits nachgewiesen haben, neue Technologien erfolgreich umsetzen zu können. Angesichts ihrer großen finanziellen Ressourcen dürfte es ihnen möglich sein, die notwendigen massiven Investitionen in IT-Infrastruktur sowie Forschung & Entwicklung zu stemmen, um vertrauenswürdige KI-Anwendungen zur Marktreife zu bringen.

Die Unternehmen der Internetblase der 2000er Jahre waren dagegen darauf fokussiert, ihre Umsätze rasch zu steigern. Die Rentabilität von Produkten, Projekten und Kunden stand nicht im Vordergrund. Dies führte zu schwachen Bilanzen, negativen Gewinnrevisionen und enttäuschten Markterwartungen, die zusammengenommen die Aktienkurse einbrechen ließen. Zwar spielt auch bei den KI-Profiteuren die Hebung neuer Umsatzpotenziale eine wichtige Rolle. Im Fokus steht aber sowohl bei Anbietern als auch Anwendern von KI-Applikationen die Steigerung der Produktivität und damit der Profitabilität.

... und die benötigte Infrastruktur besser ausgebaut

Ein weiteres Argument für die KI-Unternehmen ist, dass sie auf eine entwickelte IT-Infrastruktur zurückgreifen können. Heute bildet die global vernetzte IT-Infrastruktur in Verbindung mit steigender Rechenleistung von Datencentern, dem Internet sowie die Verfügbarkeit digitalisierter Inhalte (Audio, Video, Bilder, Text etc.) das Fundament, auf dem sich Basistechnologien wie KI rasant global verbreiten können. Dagegen konnten die Internetpioniere der 2000er Jahre ihre Visionen aufgrund fehlender technologischer Grundlagen erst Jahre später umsetzen.

Bewertung weniger ambitioniert als vor 25 Jahren

Ein weiterer Unterschied zur Internetblase ist, dass die Aktien der G7 trotz der seit Beginn des vergangenen Jahres zu beobachtenden Rally bei weitem nicht so hoch bewertet sind wie vergleichbare Werte zur Jahrtausendwende. So wird der massive Kursanstieg seit Anfang 2023 unter anderem dadurch relativiert, dass er auf eine sehr schwache Performance im Jahr 2022 folgte. Zudem ist das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) der G7 mit 31 durch ein erwartetes und realistisches jährliches Umsatzwachstum von 12% (2023-25) gut fundiert. Im Vergleich dazu wurden die zehn höchstkapitalisierten Unternehmen, die aufgrund ihres Börsenwertes die Marktindizes maßgeblich beeinflußen, zum Höhepunkt der Internetblase im März 2000 mit einem KGV von 47 bewertet. Das erwartete jährliche Umsatzwachstum von 15% (1999-2001) trat letzendlich aber nicht ein.

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