Ein Testament kann Erbstreit verhindern

05.05.2022 – Häufig müssen sich Hinterbliebene durch unzählige Ordner und Papiere arbeiten. Der Senior-Spezialist Nachfolgeplanung erklärt, was man mit einem Nachlass tun muss und was passiert, wenn man Schulden erbt.

Schlüssel an Holzbrett

(Ver)erben und erben: Tipps vom Profi

Ein Erbe bringt neben der Trauer um einen geliebten Menschen viele Herausforderungen mit sich: Häufig müssen sich Hinterbliebene durch unzählige Ordner und Papiere arbeiten. Sie müssen unter anderem Verträge umschreiben, Mitgliedschaften kündigen und Versicherungen ändern. Optimal wäre es daher, wenn Menschen ihren Nachlass schon zu Lebzeiten regeln. Bei der Commerzbank ist Christian Nesemann einer der Experten rund um das Thema Vererben. Der Senior-Spezialist Nachfolgeplanung erklärt zum Beispiel, was man mit einem Nachlass tun muss und was passiert, wenn man Schulden erbt.

Nachlass regeln – leicht gemacht

Für seine Kunden organisiert Christian Nesemann die Nachfolgeplanung. In einem ersten Gespräch geht es für ihn darum, sich einen Überblick über die Situation zu verschaffen: Wie groß ist das Vermögen? Gibt es Immobilien oder besteht sogar ein Familienunternehmen? Und wie sieht es mit potenziellen Erben aus? Am Ende setzen die Kunden ein Testament auf – in der Regel gemeinsam mit einem Notar oder Rechtsanwalt. Ein Testament stellt sicher, dass der letzte Wille nach dem Tod auch durchgesetzt wird. „Viele Kunden belastet das Thema Nachlass schon über viele Jahre“, sagt Nesemann. „Wenn wir gemeinsam eine gute Lösung ausarbeiten, fällt ihnen häufig eine riesige Last von der Seele. Ihnen dabei zur Seite zu stehen, macht mir großen Spaß.“

Was passiert mit einem Nachlass ohne Erben?

Häufig sitzen bei Christian Nesemann auch Paare, die sich über Jahrzehnte ein Vermögen aufgebaut haben – aber keine Erben haben. Für diesen Fall besteht die Möglichkeit, den gesamten Nachlass zu spenden. Oder aber eine gemeinnützige Stiftung zu gründen. Genau das hat Christian Nesemann für die Kunden in den vergangenen Jahren regelmäßig getan. Mit diesem Konzept können Menschen sicher sein, über ihren Tod hinaus zu wirken und zu gestalten. Beispiele für gemeinnützige Zwecke gibt es viele. Sie reichen von der Förderung von Bildung, Kunst oder Kultur bis hin zu Initiativen zur Völkerverständigung. Erblasser können auch konkrete lokale Projekte mit ihrer Stiftung unterstützen, zum Beispiel Waisenhäuser oder Altenbegegnungsstätten.

Mit einem Testament den Nachlass zeitig regeln

Sollte ein Kunde von Christian Nesemann sterben, wird die Bank häufig als Testamentsvollstreckerin berufen. In dieser Funktion nimmt sie zunächst den Nachlass für die Erben in Besitz und verwaltet ihn – um letztlich den Willen des Verstorbenen verlässlich umzusetzen. So schützt die Bank das Erbe vor einem möglichen unberechtigten Zugriff. Sinnvoll ist ein Testament vor allem für Menschen, die unmündige Kinder haben oder eine komplexe Vermögensstruktur. Christian Nesemann hat in seinem Job mit beiden Seiten zu tun – mit Menschen, die ihren Nachlass rechtzeitig planen und mit trauernden Erben. Keine einfache Situation. Doch die meisten Hinterbliebenen sind froh, wenn sich jemand gemeinsam mit Ihnen der Bürokratie annimmt. „Meine Rolle ist es, ruhig und sachlich nach vorne zu blicken. Das hilft den Menschen meist und gibt ihnen Kraft.“

Was muss ich tun, wenn meine Eltern sterben?

Sterben gehört zum Leben dazu. Das klingt banal – aber gehört zum Leben dazu, dass die Kinder irgendwann ihre Eltern zu Grabe tragen müssen. In Deutschland gilt, dass die Erben juristisch wie wirtschaftlich in die Fußstapfen des Verstorbenen treten – mit allen Rechten und Pflichten. Die Trauerzeit ist daher nicht nur vom Verlust geprägt, sondern auch von Bürokratie.: Nicht umsonst heißt es im Volksmund: „Von der Wiege bis zur Bahre – Formulare, Formulare.“ Christian Nesemann kennt das Prozedere natürlich gut: „Vom Todesfall bis zur Erbschaftssteuer vergeht oft ein ganzes Jahr.“ Und häufig wartet echte Sisyphusarbeit auf die Hinterbliebenen. „Gerade, wenn die Eltern vorher krank waren und Dinge wie die Buchführung vernachlässigen mussten.“

Worum man sich als Erbe kümmern muss

  1. Beerdigung organisieren
  2. Sterbeurkunde beantragen
  3. Erbschein beschaffen
  4. Rentenversicherung informieren
  5. Banken und Versicherungen kontaktieren
  6. Bei Immobilien: Versicherungen (z. B. Hausrat) anpassen
  7. Abos/Mitgliedschaften kündigen (Video-Streamingdienste, Sportverein, Zeitschriften)
    Stromanbieter und Wasserversorger anschreiben

Weitere Tipps rund ums Thema Erbschaft gibt es hier.

Der Nachlass bedeutet viel Arbeit

Vielen Menschen helfen diese Aufgaben bei der Trauerbewältigung. Andere wiederum macht der zusätzliche Aufwand allein aus Zeitgründen zu schaffen. Schließlich haben die Erben häufig eine eigene Familie und müssen arbeiten. „Wer seinen Erben helfen möchte, legt zu Lebzeiten einen kleinen Ordner an“, rät der Experte. Darin kann man eine Liste mit Wertgegenständen ablegen. Auch das Hinterlegen von Bankverbindungen und Verträgen ist sinnvoll – im Idealfall mit Kundennummern, Zugangsdaten und einem Ansprechpartner. So kann man selbst dazu beitragen, dass die Kinder später weniger Arbeit haben. „Sich nämlich durch unzählige Ordner zu quälen, führt schnell zu Stress“, weiß Nesemann aus eigener Erfahrung. Von der emotionalen Komponente ganz zu schweigen. Denn häufig kämen dabei Erinnerung an die Kindheit hoch. Und zwar nicht nur positive: Streitereien mit den Eltern oder unter Geschwistern von vor vielen Jahren zum Beispiel.

Streit unter Erben vermeiden

„Viele Familien denken, dass es bei ihnen nie Streit um den Nachlass geben wird“, sagt Nesemann. Doch seine Erfahrung und die Statistik beweist das Gegenteil: In zwei von drei Fällen kommt es zum Streit ums Erbe – und der endet nicht selten vor Gericht. „Oft bringen Erbfälle das Schlechteste in den Menschen hervor – vielleicht aus der Emotionalität oder Überforderung heraus.“ Alte Spannungen kochen schnell hoch und Neid macht sich breit. Eine große Hürde dabei ist das Gesetz. Denn generell gehört allen Erben das Erbe gemeinsam. Jede Verfügung über Nachlassgegenstände müssen sie gemeinschaftlich treffen.

Schon zu Lebzeiten über das Thema zu reden, wäre daher wichtig. Doch das ist nicht immer einfach. „Kommen die Kinder damit um die Ecke, gibt es schnell Vorwürfe, dass sie das Erbe gar nicht mehr erwarten können“, so Nesemann. Daher sieht er die Verantwortung bei der älteren Generation. „Legen Sie die geistige Scheu ab und sprechen Sie über ihre Wünsche und Sorgen“, rät er.

Wer ein Testament aufsetzen sollte

Zumindest die Ehepartner sollten sich untereinander besprechen – und sich fragen: Wollen wir Gerechtigkeit unter den Erben? Streben wir eine höchstmögliche Steueroptimierung an? Oder vererben wir uns zunächst gegenseitig alles? Hier gilt es, Freibeträge zu kennen und zu berücksichtigen. Sonst kassiert der Staat am Ende doppelt. Mit einem Testament lässt sich Streit im Idealfall vermeiden. „Doch wir Menschen sind gehemmt, uns mit dem eigenen Tod auseinanderzusetzen. Auch ich habe das Thema jahrelang auf die lange Bank geschoben“, gesteht Nesemann. Doch seine Verantwortung als Familienvater habe ihn schließlich dazu gebracht. Wer minderjährige oder pflegebedürftige Familienmitglieder hat, sollte immer ein Testament hinterlassen, so der Experte. „So können Sie sicher sein, dass die Familienmitglieder auch später versorgt sind.“ Auch bei suchtkranken Angehörigen oder in Patchwork-Familien ist ein Testament ratsam. „Erben ist immer ein Verteilkampf“, sagt Nesemann. „Wenn ich Streit um mein Erbe befürchte, sollte ich das Thema zeitig regeln.“

Schulden erben: Was kann man tun?

Nicht selten verstecken sich in der Erbmasse Schulden. Ist das der Fall, kann man das Erbe ausschlagen – muss das aber innerhalb der ersten sechs Wochen nach dem Tod des Verstorbenen beim Nachlassgericht kundtun. „Wenn ich einmal ablehne, bekomme ich gar nichts“ , so Christian Nesemann. Sich die Rosinen rauszupicken ist also nicht möglich. Wenn kein Testament vorliegt, ist es die Aufgabe der Erben, sich einen Überblick zu verschaffen. Das ist nicht immer einfach oder manchmal auch unmöglich. Was kann man aber tun, wenn man erst nach der Frist offene Forderungen entdeckt? „Der Erbe kann dann ein sogenanntes Aufgebotsverfahren und Nachlassinsolvenzverfahren beantragen“, so der Experte. Dann haben die meist unterschiedlichen Gläubiger zumindest keinen Zugriff auf das Privatvermögen des Erben.

Lehnen übrigens alle potenziellen Erben ab, geht am Ende alles an den Staat – und der muss auch die Schulden erben.

Clever vererben und einfach erben: die Tipps vom Experten

  1. Setzen Sie ein Testament auf. Entweder öffentlich beim Notar oder handschriftlich. Beide Testamente sind gleichwertig.
  2. Bei einem handschriftlichen Testament bietet es sich an, es beim Amtsgericht zu hinterlegen. Die Kosten belaufen sich auf weniger als 100 Euro. Im Todesfall ist so auf jeden Fall sichergestellt, dass das Testament gefunden wird.
  3. Hinterlassen Sie den Erben einen kleinen Ordner mit der Übersicht über alle Verträge, Konten und Zugangsdaten.
  4. Stellen Sie den Erben eine Vollmacht für Bankkonten aus, damit Sie nach Ihrem Tod direkt handlungsfähig sind.

Gold im Mauerwerk: skurrile Verstecke der Kunden

In seinem Job als Testamentsvollstrecker erlebt Christian Nesemann allerlei Kurioses. So fällt es oft in seinen Aufgabenbereich, Wertgegenstände zu verkaufen und die Immobilien leerzuräumen. „Dabei suchen wir immer nach möglichen Verstecken.“ Geld unter der Matratze ist eher ein Langweiler. „Von gesammelten Briefen einer heimlichen Liebe über Waffen bis hin zu 100.000 DM im Ofenrohr war schon vieles dabei.“ Manche Kunden hatten Gold im Keller eingemauert oder besaßen ein Nummernkonto in der Schweiz. Ein Klient hinterließ Nesemann zwar nicht das Erbe, dafür eine Art Schnitzeljagd in seinem Haus. Die führte den Experten von Versteck zu Versteck. Nesemanns Highlight: Die Versteigerung eines echten Monets bei Sotheby’s

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