Pflegereform 2023: Was ändert sich für Beitragszahler und Pflegebedürftige?

Eine älter werdende Bevölkerung, immer mehr Pflegebedürftige und eine unzureichende gesetzliche Pflegeversicherung. Erfahren Sie hier, was sich mit der ab 01.07.2023 startenden Pflegereform für Beitragszahler und Pflegebedürftige zukünftig ändern wird.

Eine ältere Frau wird von einer jungen, freundlich lächelnden Frau leicht geführt, wobei sie ein Arm locker auf dem Rücken der älteren Frau gelegt hat

Die deutsche Bevölkerung wird immer älter – damit steigt auch die Zahl der Pflegebedürftigen beständig an. In ihrer bisherigen Form kann die gesetzliche Pflegeversicherung dieser Entwicklung nicht gerecht werden. Deshalb startet am 01.07.2023 eine umfassende Pflegereform.1 Wir fassen zusammen, was sich jetzt für Beitragszahler und Pflegebedürftige ändert und wer künftig mehr zahlen muss.

Warum wird die gesetzliche Pflegeversicherung überhaupt reformiert?

Die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland nimmt ständig zu. Damit steigen die Kosten für die Pflege. Um die Finanzierung über die gesetzliche Pflegeversicherung langfristig zu sichern, müssen also die Pflegebeiträge steigen. Gleichzeitig müssen die Bedingungen für Pflegepersonal und pflegende Angehörige verbessert werden, um eine angemessene Pflege langfristig überhaupt zu ermöglichen. Diese beiden Aspekte sind die Ausgangspunkte für die Pflegereform 2023.

Die wichtigsten Gründe für die Pflegereform 2023 im Überblick

Die demografische Entwicklung ist einer der Hauptgründe für die Pflegereform – im Detail gibt es aber eine Reihe von Beweggründen, die zur Reform der Pflege beitragen:1

  • Durch die wachsende Anzahl an Pflegebedürftigen steigen die Pflegekosten – das macht eine Erhöhung der Beiträge zur Pflegeversicherung notwendig.
  • Nach einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts von 2022 muss bei der Beitragsbemessung die Anzahl der Kinder berücksichtigt werden.
  • Über 80% der Pflegebedürftigen werden zuhause versorgt. Daher ist es wichtig, die häusliche Pflege zu stärken und pflegende Angehörige zu unterstützen.
  • Deutschlandweit herrscht ein Mangel an Pflegekräften, der unter anderem durch eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen behoben werden soll.
  • Pflegekräfte und pflegende Angehörige leiden unter hoher Arbeitsbelastung. Eine Digitalisierung von Informationen und Prozessen könnte Arbeitsaufwände reduzieren und helfen, Fehler zu vermeiden.

Die Pflegereform in drei Schritten

Die Pflegereform beginnt im Juli 2023, ihre Umsetzung erfolgt aber gestaffelt in mehreren Schritten:1

Ab 01.07.2023

Anpassung der Beitragsstruktur, um mehr Geld in die Kassen der gesetzlichen Pflegeversicherung zu spülen. Viele Mitglieder der gesetzlichen Pflegeversicherung zahlen künftig höhere Beträge – allerdings wird jetzt auch die Anzahl der Kinder bei der Bemessung des Beitrags berücksichtigt.

Ab 2024

Stärkung der häuslichen, ambulanten und vollstationären Pflege durch eine Reihe von Maßnahmen wie Anhebung des Pflegegelds (Leistungen der Pflegeversicherung für Pflegebedürftige in häuslicher Pflege), Erhöhung der Zuschläge für Pflegeleistungen in der ambulanten Pflege (ambulante Sachleistungen) und Leistungszuschläge für vollstationäre Pflege sowie weitere gestaffelte Anpassungen von Leistungen.

Ab 2025 und danach alle drei Jahre

Anpassung der Geld- und Sachleistungen in der häuslichen und stationären Pflege gekoppelt an die allgemeine Preisentwicklung.

Überblick: Das verändert sich mit der Pflegereform 2023

Wir haben für Sie die zentralen Änderungen der Reform einmal zusammengetragen:2

  • Anpassung der Leistungsbeträge zur Pflegeversicherung unter Berücksichtigung der Anzahl der Kinder.
  • Unterstützung von pflegebedürftigen Personen durch Erhöhung von Pflegegeld, Pflegesachleistungen und Zuschlägen bei vollstationärer Pflege.
  • Einführung eines neuen „gemeinsamen Jahresbetrags“, der die Fortzahlung des Pflegegelds bei Verhinderungs- und bei Kurzzeitpflege flexibler handhabt.
  • Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Pflegekräften durch Optimierung der Vereinbarkeit von Pflege, Familie und Beruf sowie Einstellung neuer Mitarbeiter in der Pflege.
  • Digitalisierung der Pflege durch Förderprogramme für digitale Anwendungen und die Pflicht zur Anbindung von Pflegeeinrichtungen an die Datenautobahn des Gesundheitswesens.
  • Verbesserung der Transparenz der Pflegekasse – Pflegebedürftige und Angehörige erhalten künftig genaue Angaben über die Pflegeleistungen, die sie in Anspruch genommen haben. Das hilft die einzelnen Kostenpunkte besser nachzuvollziehen und kann für die Steuererklärung relevant sein, da Pflegeleistungen teilweise von der Steuer absetzbar sind.
  • Unterstützung von Pflegebedürftigen in ihren eigenen Wohnungen und Förderung von Modellwohnprojekten, die eigenständiges Wohnen und Pflegen kombinieren.

Was ändert sich mit der Pflegereform für Beitragszahler?

Für die meisten Beitragszahler werden die Sätze zur Pflegeversicherung deutlich angehoben. Die Beiträge variieren allerdings deutlich, abhängig von Alter und Familienstand:

Pflegebeiträge für Kinderlose

Seit 2022 zahlen Kinderlose 3,4% ihres Bruttoeinkommens in die gesetzliche Pflegeversicherung ein. Ab 01.07.2023 müssen Kinderlose zusätzlich einen Kinderlosen-Zuschlag von 0,6% zahlen. Damit steigt ihr Beitrag zur Pflegeversicherung auf 4%.3 Der Arbeitgeberanteil an der Pflegeversicherung liegt übrigens ab dem 01.07. 2023 pauschal bei 1,7%, unabhängig davon, ob ein Versicherter Kinder hat oder nicht. Kinderlose Angestellte müssen daher künftig 2,3% von ihrem Brutto-Einkommen an die Pflegeversicherung abtreten, die restlichen 1,7% übernimmt der Arbeitgeber.

Pflegebeiträge für Familien mit Kindern

Berufstätige mit Kindern zahlen aktuell 3,05% ihres Bruttoeinkommens in die Pflegeversicherung ein. Ab 01.07.2023 können die Beiträge sogar sinken, je nachdem, wie viele Kinder unter 25 Jahren eine Familie hat.

Anzahl der Kinder unter 25 Jahren0Beitrag (Anteil am Bruttoeinkommen)4% (Arbeitnehmer-Anteil: 2,3%, Arbeitgeber-Anteil 1,7%)
Anzahl der Kinder unter 25 Jahren1Beitrag (Anteil am Bruttoeinkommen)3,4% (Arbeitnehmer-Anteil: 1,7%, Arbeitgeber-Anteil 1,7%)
Anzahl der Kinder unter 25 Jahren2Beitrag (Anteil am Bruttoeinkommen)3,15% (Arbeitnehmer-Anteil: 1,45%, Arbeitgeber-Anteil 1,7%)
Anzahl der Kinder unter 25 Jahren3Beitrag (Anteil am Bruttoeinkommen)2,9% (Arbeitnehmer-Anteil: 1,2%, Arbeitgeber-Anteil 1,7%)
Anzahl der Kinder unter 25 Jahren4Beitrag (Anteil am Bruttoeinkommen)2,65% (Arbeitnehmer-Anteil: 0,95%, Arbeitgeber-Anteil 1,7%)
Anzahl der Kinder unter 25 Jahren5 und mehrBeitrag (Anteil am Bruttoeinkommen)2,4% (Arbeitnehmer-Anteil: 0,7%, Arbeitgeber-Anteil 1,7%)

Die niedrigeren Abschläge für Eltern mit zwei und mehr Kindern sind sogenannte Erziehungs-Abschläge, die den wirtschaftlichen Aufwand der Kindererziehung berücksichtigen. Haben die Kinder das Alter von 25 Jahren erreicht, werden die Abschläge auf den normalen Beitrag ohne Kinderlosen-Zuschlag, also auf 3,4% angehoben.

Pflegebeiträge für Rentner

Aktuell müssen kinderlose Rentner 3,4% für die gesetzliche Pflegeversicherung abführen.4 Ab Juli 2023 steigt der Beitrag auf 4% der Bruttorente. Eine Ausnahme besteht, wenn Rentner Kindern unter 25 Jahren haben – in diesem Fall entfällt der Kinderlosen-Zuschlag, sodass sie auch nach der Pflegereform weiterhin 3,4% ihres Bruttoeinkommens zahlen.2

Was ändert sich mit der Pflegereform für Pflegebedürftige?

Für Pflegebedürftige bedeutet die Pflegereform vor allem eine Verbesserung der Pflegebedingungen durch entsprechende finanzielle Unterstützung. Die Änderungen greifen allerdings erst ab 01.01.2024:2

Pflegebedürftige, die zuhause gepflegt werden, erhalten von der Pflegeversicherung eine Unterstützung in Form des Pflegegeldes. Ab 2024 werden sowohl dieses Pflegegeld als auch der Anspruch auf Pflegeleistungen bei ambulanter Pflege um jeweils 5% angehoben. Das heißt, Pflegebedürftige und ihre pflegenden Angehörigen erhalten mehr Unterstützung oder können mehr Unterstützung durch ambulantes Pflegepersonal in Anspruch nehmen.

Mehr Transparenz bei den Pflegeleistungen: Pflegebedürftige erhalten künftig auf Wunsch eine jährliche Übersicht über in Anspruch genommene Leistungen, aus Gründen der Kosten-Transparenz und um die Leistungen gegebenenfalls von der Steuer abzusetzen. Zudem soll das Verfahren zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit klarer geregelt werden. So muss der Pflegebescheid, den die Pflegeversicherung ausstellt, künftig immer durch das Gutachten eines Pflegesachverständigen bestätigt werden. Sieht es das Gutachten vor, muss die Pflegeversicherung dem Pflegebedürftigen Pflegehilfsmittel, Präventions- oder Reha-Maßnahmen anbieten.

Auch für Pflegebedürftige, die im Heim gepflegt werden, gibt es ab 01.01.2024 finanzielle Entlastungen. Die Gesamtkosten für die Pflege setzen sich zusammen aus einem pflegebedingten Eigenanteil, den die Versicherten zahlen, sowie den Zuschlägen, die die Pflegekasse zahlt. Diese Zuschläge werden deutlich angehoben. Wie bisher sind die Zuschläge nach Dauer des Aufenthalts in der stationären Pflege gestaffelt.2

Stationäre Aufenthaltsdauer0 bis 12 MonateZuschlag bis Ende 20235%Neuer Zuschlag ab 202415%
Stationäre Aufenthaltsdauer13 bis 24 MonateZuschlag bis Ende 202325%Neuer Zuschlag ab 202430%
Stationäre Aufenthaltsdauer25 bis 36 MonateZuschlag bis Ende 202345%Neuer Zuschlag ab 202450%
Stationäre AufenthaltsdauerÜber 36 MonateZuschlag bis Ende 202370%Neuer Zuschlag ab 202475%

Konkret heißt das: Für einen 4-wöchigen stationären Pflegeaufenthalt mit Kosten von 3.500 Euro erhalten Pflegebedürftige statt des bisherigen Zuschusses von 175 Euro (5%) nach der Pflegereform 525 Euro (15%). Dieser Zuschlag wird in der Regel direkt an das Pflegeheim überwiesen. Den Differenzbetrag von 2.975 Euro tragen die Pflegebedürftigen weiterhin selbst, sofern sie keine zusätzliche private Pflegeversicherung abgeschlossen haben.

Was ändert sich mit der Pflegereform für pflegende Angehörige?

Den Pflegeaufwand und die Verantwortung kann man pflegenden Angehörigen nicht abnehmen. Dennoch gibt es mit der Pflegereform auch für sie Neuerungen, die zumindest finanzielle Erleichterung bedeuten.

Leistung für pflegende AngehörigePflegeunterstützungsgeld (für akute/befristete Fälle, z. B. nach Unfällen)Bis 2023Bis zu 10 Arbeitstage je pflegebedürftiger Person insgesamtAb 2024Bis zu 10 Arbeitstage je pflegebedürftiger Person pro Jahr
Leistung für pflegende AngehörigeVorpflegezeitBis 2023Mind. 6-monatige Pflege durch eine Pflegekraft vor der ersten Inanspruchnahme der Verhinderungspflege durch pflegende AngehörigeAb 2024Die Vorpflegezeit entfällt
Leistung für pflegende AngehörigeVerhinderungspflege (Vertretung für pflegende Person, wenn diese verhindert ist)Bis 2023Bis zu 6 Wochen je Kalenderjahr bei Pflegestufe 2 bis 55Ab 2024Gemeinsamer Jahresbetrags für die häusliche Pflege. Ab 01.01.2024: 3.386 Euro gemeinsamer Jahresbetrag (Kinder/junge Erwachsene bis 25 Jahre mit Pflegegrad 4 und 5. Ab 01.07.2025: 3.539 Euro gemeinsamer Jahresbeitrag für Pflegebedürftige aller Pflegegrade
Leistung für pflegende AngehörigeKurzeitpflege in vollstationärer EinrichtungBis 2023Unterstützung für bis zu 8 Wochen pro Kalenderjahr, insgesamt maximal 1.774 EuroAb 2024-------

Gemeinsamer Jahresbetrag ersetzt Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege

Um die häusliche Pflege im Verhinderungsfall oder in anderen Ausnahmesituationen möglichst unkompliziert zu sichern, werden Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege durch einen pauschalen Jahresbetrag ersetzt. Den sogenannten gemeinsamen Jahresbetrag können Pflegebedürftige über das gesamte Jahr hinweg flexibel nutzen.

Im Jahr 2024 gilt der gemeinsame Jahresbetrag zunächst nur für Kinder und junge Erwachsene bis 25 Jahre mit den Pflegegraden 4 und 5. Ab Juli 2025 gilt der gemeinsame Jahresbetrag für alle Pflegebedürftigen der Pflegegrade 2 bis 5.

Warum die Pflegereform 2023 uns alle angeht.

Pflegebedürftigkeit kann für jeden von uns jederzeit zum Thema werden – sei es persönlich oder als Angehöriger. Ab Juli 2023 werden für viele Pflegeversicherte die Beiträge zur Pflegeversicherung ansteigen. Das verbessert langfristig zwar die Pflegeleistungen, dennoch bleibt damit noch weniger finanzieller Spielraum für andere Formen der Absicherung. Damit Sie ein plötzlicher Pflegefall nicht emotional und finanziell aus der Bahn wirft, sollten Sie sich frühzeitig mit folgenden Fragen auseinandersetzen:

  • Was würde es mit Blick auf Ihre Finanzen, Ihr Zuhause und Ihren Alltag bedeuten, wenn Sie oder Ihre Angehörigen plötzlich pflegebedürftig werden?
  • Können Sie sich den Aufenthalt im Pflegeheim für sich oder Ihre Angehörigen mit der gesetzlichen Pflegeversicherung allein überhaupt leisten?
  • Hätten Sie neben Ihrem Beruf die zeitlichen und finanziellen Ressourcen, um Angehörige zu pflegen? Wenn nicht, welche Voraussetzungen müssten Sie dafür schaffen?
  • Wie können Sie Ihren Kindern oder anderen Angehörigen die potenzielle finanzielle Belastung abnehmen, wenn Sie selbst zum Pflegefall werden?

Beschäftigen Sie sich am besten mit der Pflegethematik, bevor Sie selbst oder Angehörigen betroffen sind. Denn selbst dann, wenn Sie Ihre Angehörigen nicht selbst pflegen können oder wollen, sind Sie unter bestimmten Umständen verpflichtet, für die Pflegekosten aufzukommen.

Wissen ergänzen

Warten Sie nicht länger: Kümmern Sie sich jetzt um die passende Absicherung, damit Sie sich im Alter oder bei plötzlicher Pflegebedürftigkeit keine finanziellen Sorgen machen müssen. Wir empfehlen Ihnen dazu unsere Spezialthemen Vorsorge für das Alter, für Kinder und für Selbstständige.

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  1. 2

    Quelle: Bundesministerium für Gesundheit 2023 zum Pflegeunterstützungs- und Pflegeentlastungsgesetz

  2. 3

    Quelle: Bundesministerium für Gesundheit 2023 zur Pflegeversicherung