Marshmallow-Effekt: Widerstand lohnt sich

05.05.2022 – Der Marshmallow-Effekt verhilft zum Erfolg. Doch dafür muss der Mensch seine Urinstinkte überwinden.

Ein Kind beobachtet einen Marshmallow, der auf dem Tisch vor ihm liegt.

Süßes fürs Sparkonto: der Marshmallow-Effekt

Geduld führt zum Erfolg. Das belegen zahlreiche Studien. Doch seine inneren Impulse zu beherrschen, fällt vielen Menschen schwer. Wir kennen das zum Beispiel von Diäten. Auch beim Thema Sparen müssen wir Verlockungen widerstehen: jetzt auf etwas verzichten, um uns später mehr leisten zu können. Wie aber können wir uns durch einen Belohnungsaufschub überlisten und dadurch mehr Selbstkontrolle lernen?

Ein köstliches Experiment mit Kindern

Stellen Sie sich einen Keks vor: groß, rund und prall gefüllt mit süßer Schokolade. Er ist sich seiner Verführungskraft sicher und scheint Ihnen zuzuzwinkern – auffordernd, aufreizend, vielsagend. Doch Sie müssen stark sein und standhaft bleiben. Selbstdisziplin fällt schwer, oder? So ähnlich erging es rund 500 Kindern in den USA der späten 1960er-Jahre. Denn sie waren Teil eines inzwischen legendären Experiments: dem Marshmallow-Experiment.

Damals war Walter Mischel ein junger Professor für Psychologie in Stanford. Sein Arbeitsgebiet war die menschliche Willensstärke. Wie aber erforscht man diese Eigenschaft? Mischel, selbst Vater dreier junger Töchter, kam auf eine Idee. Im benachbarten Uni-Kindergarten waren gerade Beobachtungsräume mit Glaswänden eingebaut worden. Eine Art lebendes Labor.

Kleiner Unterschied – große Wirkung

Und genau das nutzte Walter Mischel mit einem einfachen wie genialen Experiment: Er bat die Kinder einzeln in einen kargen Raum. Dort legte er ihnen ein Marshmallow vor die Nase und machte eine Ansage: „Wenn Du diesen Marshmallow nicht anrührst, bis ich zurück bin, erhältst du ein zweites!“ Im Fachjargon spricht man von Belohnungsaufschub und Impulskontrolle. Für die Kleinen war es vor allem eine echte Willensprobe –die nur jedes dritte Kind bestand. Die anderen gaben ihrem inneren Drang nach und belohnten sich direkt. Der Marshmallow-Effekt war geboren.

Doch als Psychologe wollte Walter Mischel herausfinden, wie sich die Unterschiede zwischen den Kindern langfristig auswirken. Jahre später trafen er und sein Forscherteam einige von ihnen erneut. Dabei zeigte sich Erstaunliches: Diejenigen, die der Verlockung damals widerstehen konnten, waren tendenziell erfolgreicher in der Schule. Sie konnten besser mit Stress und Frustration umgehen und waren seltener übergewichtig.

Altersvorsorge liegt uns nicht im Blut

Die Ursache für unsere Willensschwäche liegt im limbischen System. Dort befindet sich der Sitz von Emotionen und Instinkten. Wenn Sie einen Schuss hören, ducken Sie sich. Ohne nachzudenken. In der frühen Menschheitsgeschichte waren solche Reaktionen überlebenswichtig. Zum Glück entstand für den Menschen später in der Evolution der präfrontale Kortex. Dieser Teil des Gehirns ermöglicht es uns, uns die Zukunft vorzustellen. Auch die Impulskontrolle ist dort angesiedelt. Wenn wir also dem Schokokeks nicht widerstehen können, ist unser limbisches System einfach zu stark. Frei nach dem Motto: Was man hat, das hat man. Noch deutlicher wird der Marshmallow-Effekt bei den Themen Geldanlage und Altersvorsorge. Hand aufs Herz: Was finden Sie attraktiver? Jetzt einen Wochenendtrip mit Freunden zu machen oder Geld für Ihre Rente beiseitezulegen?

Aus den Augen, aus dem Sinn?

Doch nicht nur die Gene spielen eine Rolle beim Thema Willensstärke. Auch Umwelt, Erziehung und Erfahrungen üben einen beachtlichen Einfluss aus. Kinder können das von klein auf lernen. Eltern sollten ihnen dafür ein gewisses Maß an Selbstdisziplin vorleben. Und wenn sie etwas versprechen, es auch unbedingt einhalten.

Wie aber können wir noch als Erwachsene lernen, den Verlockungen des Alltags zu widerstehen und den Marshmallow-Effekt zu kontrollieren? Indem wir unsere Wahrnehmung steuern und Selbstdisziplin trainieren. Einige Kinder machten das in den Testreihen ganz instinktiv. Sie schlossen einfach ihre Augen. Manche zogen sich auch ihre Sandalen aus und spielten mit ihren Zehen Piano. Man könnte sich vorstellen, eine Fliege an der Wand zu sein – die uns selbst bei der Entscheidungsfindung beobachtet. Das würde helfen, die Gedanken abzukühlen und willensstark zu bleiben, so Walter Mischel.

Selbstkontrolle aktivieren, Reflexe unterdrücken

Der Psychologe rät zudem dazu, klare Regeln für sich aufzustellen und Wenn-dann-Pläne zu schmieden. „Wenn ich jetzt auf neue Schuhe verzichte, habe ich später mehr Geld für eine Reise“, wäre so ein Beispiel. Wir müssen uns bildreich verdeutlichen, dass die Belohnung in der Zukunft viel größer wird. Das aktiviert die Selbstkontrolle und wir können unsere Reflexe unterdrücken. Gerade das Thema Zins und Zinseszins eignet sich wunderbar für eine solche Imagination.

Vielleicht hilft es auch, sich in Momenten der Schwäche an ein persisches Sprichwort zu erinnern: „Geduld ist ein Baum, dessen Wurzeln bitter sind – dessen Frucht aber sehr süß ist.“ Dann klappts auch mit dem Sparen.

Wer also das erste Marshmallow nicht gleich verzehrt, erhält durch diesen Belohnungsaufschub in der Zukunft eine größere Belohnung. Für die Erfüllung von persönlichen Träumen kann heutiger Verzicht bedeuten, sich durch angespartes in der Zukunft finanziell mehr zu ermöglichen.

Sparen ohne Verzicht?

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