Liegt Kamala Harris wirklich in Führung?
Nach dem Austausch Bidens als Präsidentschaftskandidat liegen die Demokraten mit Kamala Harris in den Umfragen leicht in Führung.
Commerzbank Economic Research
23.08.2024
Kamala Harris hat die Stimmung gedreht...
Der Wechsel des Präsidentschaftskandidaten der Demokraten von Joe Biden zu Kamala Harris hat den Wahlkampf durcheinandergewirbelt. In den nationalen Umfragen liegt nun nicht mehr Donald Trump vorn, sondern die derzeitige Vizepräsidentin (Titelchart). Sicherlich hat sie davon profitiert, dass ihr als neue Kandidatin besondere Aufmerksamkeit galt und in den letzten Tagen die Nominierung auf dem Parteitag positive Schlagzeilen lieferte. Aber wie aussagekräftig sind die Umfragen? Wir zeigen, worauf es ankommt.
... aber reicht das auch?
Tatsächlich sagt der geringe Umfrage-Vorsprung von Harris von meist ein bis zwei Prozentpunkten wenig aus. So geben viele nationale Umfragen eine Fehlermarge von plus/minus drei Prozentpunkten an. Damit liegt bei einem in einer Umfrage gemessenen Wähleranteil von Harris von 52% der "wahre" Anteil mit einer Wahrscheinlichkeit von 95% zwischen 49% und 55% . Dieser Fehler resultiert daraus, dass in der Umfrage nicht alle potenziellen Wähler befragt wurden, sondern oft nur 1000 Personen. Bei einer Umfrage, bei der sich die Teilnehmer nur zwischen Harris und Trump entscheiden können, wäre also selbst ein Vorsprung von vier Prozentpunkten (52% minus 48% für Trump) nicht signifikant.
Damit bewegt sich der nationale Vorsprung von Harris derzeit im Bereich der Unsicherheitsmarge, selbst wenn man – wie es sinnvoll ist – nicht auf einzelne Prognosen schaut, sondern auf den Durchschnitt verschiedener Institute.
Hinzu kommt, dass der wahre Fehler der Umfragen größer ausfallen dürfte als die angegebenen drei Prozentpunkte. Denn es gibt weitere Fehlerquellen, beispielsweise wenn die Auswahl der Teilnehmer verzerrt ist (etwa nur Teilnehmer mit Festnetzanschluss bei einer Telefonumfrage), Nichtwähler nach ihren Präferenzen befragt werden, bestimmte Wählergruppen systematisch ihre Meinung nicht angeben oder Wähler – wie in Studien nachgewiesen – unabhängig von ihrer wahren Einstellung lieber den in Führung liegenden Kandidaten nennen. Die Institute versuchen zwar, ihre Ergebnisse um solche Effekte zu korrigieren. Möglicherweise führen sie damit aber neue Verzerrungen ein. Jedenfalls haben 2018 Forscher in den USA gezeigt, dass selbst kurz vor einer Wahl erhobene Umfragen typischerweise um sieben Prozentpunkte von dem tatsächlichen Ergebnis abweichen.
Und bis zur Wahl sind es noch mehr als zwei Monate, in denen sich vieles ändern kann. Zum gleichen Zeitpunkt vor vier Jahren führte Biden mit 7,4 Prozentpunkten in den Umfragen. Die unmittelbar vor der Wahl durchgeführten Umfragen legten dann einen Vorsprung Bidens vor Trump von 7,2 Prozentpunkten nahe. Tatsächlich waren es nur 4,5 Prozentpunkte. Auch 2016 schlug sich Trump besser als die Umfragen angezeigt hatten.
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